"Slacklining" im Englischen Garten:Zwischen den Stämmen

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Mit dem schönen Wetter kommen die "Slackliner" in den Englischen Garten. Naturschützer fürchten, dass durch das Seiltanzen auf der "Slackline" Schäden an den Bäumen entstehen.

S. Przybilla

Ein straffes Nylonseil zwischen zwei Bäumen, guter Gleichgewichtssinn und viel Übung: Mehr braucht es nicht, um den Englischen Garten in einen Freiluft-Zirkus zu verwandeln. Je wärmer die Tage werden, desto mehr "Slackliner" zieht es nach draußen. Die Anhänger der Trendsportart, die sich in den achtziger Jahren in den amerikanischen Nationalparks entwickelte, balancieren unter freiem Himmel meist barfuß über ein Seil.

"Das Lebensgefühl ist das Tolle", schwärmt Slacklinerin Eva Gilch, als sie das fest gespannte Band im Englischen Garten betritt. "Man kann rausgehen, ist an der frischen Luft, trifft sich mit Freunden und hat immer jemanden, der zuschaut." Die 17-Jährige übt sich seit zwei Jahren im Seiltanz und ist mittlerweile auf mehreren Youtube-Videos zu sehen.

"Man lernt es total schnell und macht innerhalb von Stunden große Fortschritte", sagt Gilch und läuft über das kniehohe Seil. Für Ungeübte wäre schon das eine Herausforderung, die Slacklinerin aber hat gerade erst angefangen. Sie geht in die Hocke, kniet förmlich auf dem Band, steht dann wieder auf und schwingt wie beim Skifahren hin und her. "Surfen" nennt man das im Jargon der Trendsportler.

Inzwischen sind die Ersten stehengeblieben. Auch die Polizei, die im Englischen Garten Streife fährt, hält kurz an und schaut zu. "Wenn man den ganzen Tag trainiert, hat man manchmal schon Muskelkater", sagt Eva Gilch. Dafür sei Slacklining absolut ungefährlich.

"Am Anfang fällt man eben öfter mal runter, aber das gehört dazu und ist beim weichen Rasen überhaupt nicht schlimm." Die waghalsigere Variante - "Highlining" über Schluchten - hat sich die Schülerin als nächstes vorgenommen. Für das fast ebenerdige Slacklining muss man kein dickes Portemonnaie haben. Entsprechende Sets mit Seilen, Schlingen und Baumschonern sind ab 30 Euro erhältlich.

Der Bayerische Turnverband bietet seit einiger Zeit Slacklining-Kurse an, weil die Nachfrage so groß ist. Sie kosten für Mitglieder 29 Euro, für Nicht-Mitglieder sind es knapp 35 Euro.

Damit das Seil Eva Gilch beim Auf- und Abspringen hält, hat sie die Slackline mit einer Ratsche festgezogen. Zwischen Seil und Baum klemmt eine Art Teppich - eine Vorkehrung, um die Rinde vor zu starken Belastungen zu schützen.

Das geht Naturschützern nicht weit genug. In Köln, Stuttgart und Karlsruhe ist das Seiltanzen inzwischen verboten, in Freiburg berät die Stadtverwaltung noch, wie man mit der neuen Sportart umgehen will. Die Begründung für ein Verbot ist überall die gleiche: Zu groß und irreparabel seien die Schäden, die durch Quetschungen unter der Borke entstünden.

In München gibt es dagegen kein Verbot - noch nicht. Die Bayerische Schlösser und Seenverwaltung, die für den Englischen Garten zuständig ist, beklagt aber einen "massiven Anstieg" an Slacklinern. "Momentan gehen wir davon aus, dass das die Bäume schädigt", sagt Sprecher Björn Potthast. "Die Gurte quetschen der Rinde den Saft ab, was gerade bei jungen Bäumen zu verheerenden Schäden führen kann."

Um herauszufinden, welche Folgen die Trendsportart auf die Bäume hat, erfasse man diese nach und nach in einem digitalen Register. "Dort werden wir auch Rindenschäden dokumentieren", sagt Potthast. Zu einem gänzlichen Verbot konnte man sich bisher aber nicht durchringen: Slacklining wird geduldet, solange es an großen, unempfindlichen Bäumen praktiziert und eine Schutzunterlage verwendet wird.

Genau darauf setzt man auch beim Bayerischen Turnverband. "Wir verwenden beim Training immer einen Baumschutz", sagt Geschäftsführer Michael Ritter. Oft seien es besorgte Passanten, die bei der Stadt anriefen, um sich über vermeintliche Beschädigungen an Bäumen zu beschweren. Unberechtigt, meint der Sportfunktionär.

"Bei jedem Slacklining-Set wird inzwischen ein Baumschoner mitgeliefert. Da braucht man keine Angst mehr um die Bäume zu haben." Solche Sportler wünscht sich Björn Potthast von der Bayerischen Schlösserverwaltung auch: "Wenn Slacklining mit Vernunft betrieben wird, werden wir nur in Ausnahmefällen einschreiten." Verboten sei es aber nach wie vor, an gefährlichen Stellen zu üben.

© SZ vom 06.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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