Sendling:"Wie Kino, nur live"

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Das Theater "Alpenröserl" ist die älteste Amateurbühne in München. Seit 1922 begeistern die Laiendarsteller das treue Publikum - so auch jetzt wieder auf der Bühne der Sportgaststätte "Zum Freistoß" in Sendling

Von Jürgen Wolfram, Sendling

Drei Schwestern, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Luise, Hausfrau und Witwe, die Lehrerin Lore sowie Lilo, die leicht durchgeknallte Boutique-Besitzerin. Der Austausch von Nettigkeiten à la "Du bist so geschlechtslos wie ein Wackelpudding" prägt ihren drögen Alltag. Bis ein Mann auftaucht. Doch der wünscht von den "drei Weibern wie eine Gewitterfront" keineswegs, was diese sich insgeheim erhoffen - Zuneigung. In Wahrheit will der Besucher, ein staubiger Finanzberater, mit seinen Gastgeberinnen nicht mal "zusammen was googeln", sondern möglichst rasch an ihr Erspartes. Es dauert dann eine Weile, bis die Schwesterherzchen das merken. Doch dann schlagen sie in ungeahnter Einigkeit zurück, und die heimelige Szenerie verwandelt sich in einen Schauplatz giftiger Rache. "Jetzt g'hörst da Katz" heißt passenderweise das Frühjahrsstück des Theaters "Alpenröserl", der ältesten Münchner Amateurbühne. Und die präsentiert sich im 95. Jahr ihres Bestehens so lebendig wie eh und je.

Es ist eine mutige Wahl, die Regisseur Robert Oertel getroffen hat. Lediglich vier Darsteller, "praktisch alle in Hauptrollen", sieht die vergnügliche Boulevardkomödie von Ulla Kling als Besetzung vor. Brigitte König, Monika Oertel, Elfi Scherf und Harald Faltheiner legen aber schon bei der Generalprobe eine Souveränität an den Tag, die dem Spielleiter den nächtlichen Schlaf erleichtern dürfte.

Auf ein treues Publikum kann sich das Ensemble seit jeher verlassen. Und dass die Theaterabende im 88-Plätze-Saal der Sportgaststätte "Zum Freistoß", bei allem mimischen Ehrgeiz, in eine applaus- und zwischenruffreudige Gesamtgaudi münden, ist noch stets so sicher gewesen wie die Popularität des bayerischen Komödienspiels. Man hat's auch schon mal mit Krimi oder Nestroy-Adaption versucht, doch die Präferenz der Stammgäste ist eindeutig: Der klassische Dialekt-Dreiakter bayerischer Provenienz soll es sein.

Zwei Stücke bringt das Alpenröserl-Team pro Jahr auf die Bühne; jedes wird zehn bis zwölf Mal aufgeführt, Sondergastspiele in Franken oder heimischen Wirtsgärten nicht mitgerechnet. Man verzichtet auf Subventionen, zeigt bei den Ticketpreisen seine soziale Gesinnung und baut generell auf die eigenen Kräfte. Requisiten leiht sich die Schauspieltruppe bei befreundeten Theatern oder schleppt sie von zu Hause auf die selbst gebaute Bühne in der Gaststätte des BSC Sendling. "Wir haben uns auch schon Eckbänke selbst gezimmert, wenn's das Bühnenbild erfordert", berichtet Thomas Greif. Er ist für die Technik verantwortlich und in Personalunion Erster Vorstand des Trägervereins Dramatischer Club Alpenröserl. So wie viele andere der 40 Vereinsmitglieder trägt Greif gern ein T-Shirt mit dem Wahlspruch des Ensembles: "Theater ist wie Kino, nur live." Soll Werbung machen, denn die Truppe kann Verstärkung gut brauchen.

Die Amateurschauspieler am Werk. (Foto: Robert Haas)

Besonders gern gesehen sind Kräfte vom Schlage einer Ilka Keiner. Die Souffleuse, Vereinsschriftführerin, Ex-Regisseurin und "Multitasking-Helferin" ist seit 1995 mit von der Partie. Oder einer wie Peter Gstöttl. Der Bühnenbauer entstammt einer Familie, die schon seit Generationen hinter dem Alpenröserl-Theater steht, den Laden in guten wie in schlechten Zeiten zusammenhält. Leidenschaft und Leidensfähigkeit gehören in diesem Metier durchaus zusammen. Wer wüsste das besser als Laiendarsteller und ehrenamtliche Mitarbeiter, die überwiegend berufstätig oder in Ausbildung sind und dennoch viel Zeit für die Bühnenkunst aufbringen? Der Jüngste im Team ist 18, der Älteste weit über 70. "Im August hat man bei uns frei, sonst ist praktisch immer Vor- oder Nachbereitung", sagt Ilka Keiner aus der Erfahrung ihres jahrelangen Engagements.

Der Spaß, den es macht, in einer Rolle aufzugehen, entschädigt für vieles. Wobei es nicht immer die gleichen Dinge sind, über die sich Schauspieler und Publikum köstlich amüsieren. Bei den Kräften auf der Bühne beispielsweise haben Pannen einen hohen Stellenwert der Heiterkeit, solche, die Zuschauer irrtümlich für einen Bestandteil der Inszenierung halten. Der zusammenkrachende Stuhl etwa, der Stromausfall oder die künstliche Dehnung der Handlung, weil ein Darsteller seinen Einsatz verpasst. Unvergessen auch die Einlage mit dem Papagei, von der nicht mal der Autor des Stücks genau zu sagen wusste, wie die ausgehen würde. "Das sind dann die Dinge, an die man sich ewig erinnert", sagt Ilka Keiner. Zum Beispiel bei gemeinsamen Ausflügen und Feiern, die zum Vereinsleben gehören wie die Aufführungen selbst. Oder wie die Proben, die zweimal wöchentlich, montags und mittwochs, stattfinden.

Den Leuten vom Alpenröserl-Theater ist eine gewisse Großzügigkeit eigen. "Keiner bei uns muss perfekt sein, aber er sollte einen Sinn für gemeinschaftliches Vergnügen haben", sagt der Vereinsvorsitzende Thomas Greif. Der Vorhang fällt jedoch abrupt, wenn die traditionsbewussten Theaterleute sich künstlerisch verbiegen sollen. So wie damals, als ein Fernsehsender sie als Klamauk-Höhle präsentieren wollte. "Zuviel Krampf, zu viel Fremdregie. Wir planen lieber alles selber", so Greif im Nachhinein.

Spielleiter Robert Oertel hat die kleinsten Details im Auge. (Foto: Robert Haas)

Hervorgegangen ist der Theaterverein Dramatischer Club Alpenröserl aus einem gleichnamigen Mandolinen-Klub, der sich irgendwann eine Schauspielsparte zugelegt hat. Das allererste Stück, das 1922 zur Aufführung kam, hieß folgerichtig "Die Alpenblume". Es folgten, mit wenigen Ausnahmen vor allem in den Kriegsjahren, kontinuierlich Neuinszenierungen. Ludwig Ganghofers "Geigenmacher von Mittenwald" stand schon auf dem Programm, "Das königlich bayerische Amtsgericht" von Georg Lohmeier, immer wieder auch Mundartstücke von Ulla Kling. Mal ging es um "Gaudi im Heu", mal um "Bayerische Verhältnisse". Und immer war es eine "Bereicherung des Kulturlebens im Großraum München", wie der ehemalige Kultusminister Hans Zehetmair einmal im Grußwort einer Jubiläumsfestschrift anmerkte. Bei der Geschichte mit den drei schrägen Schwestern handelt es sich insofern um einen Akt der Fortschreibung.

Für die Vorstellungen am 7. und 21. April gibt es noch Karten. Reservierungen dienstags von 11 bis 12 Uhr und von 17 bis 18 Uhr sowie donnerstags von 11 bis 12 Uhr unter der Telefonnummer 0157/73 474 714. Die Tickets kosten acht Euro.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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