Sendling-Westpark:Kleiderschrank als Studio

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Konzentrierte Juroren: Martin und seine Schwester Theresa gehörten zu den 60 Münchner Kindern, deren Urteil für den Prix Jeunesse zählte. (Foto: Feierwerk/oh)

Unter abenteuerlichen Bedingungen sind heuer für den Kinderfilmpreis Prix Jeunesse die Synchron­fassungen entstanden

Von Merle Körber, Sendling-Westpark

Für rund 60 Kinder in München ist in den vergangenen Wochen ein Traum in Erfüllung gegangen. "Du musst heute Abend noch was gucken." Diesen Satz hat Junior-Film-Jurorin Anna von ihrer Mutter vorher noch nie gehört. Doch sie und ihre Mitstreiter mussten in den vergangenen Wochen Stunden an Filmmaterial sichten und bewerten. Bereits zum elften Mal haben Radio Feierwerk und die Feierwerk-Südpolstation die Kinderjury des Fernsehfestivals "Prix Jeunesse International" organisiert. Bei dem 1964 vom Bayerischen Rundfunk gegründeten Fernsehwettbewerb für Kinder- und Jugend-TV-Programme urteilen normalerweise Erwachsene über die Unterhaltung für Kinder. Seit 2000 haben aber auch die eine Stimme, die vom Thema am meisten verstehen müssen - die Kinder selbst.

Sie dürfen in zwei Sonder-Kategorien für Sieben- bis Elfjährige ihren Preis, den "Goldenen Elefanten", verleihen. Dabei weiß das zehnjährige Jurymitglied Martin genau, worauf er achtet: "Ein Film braucht interessante Themen und gute Schauspieler!" Hintergrundmusik sei aber auch wichtig für die richtige Atmosphäre. "Die Organisation der Kinder-Jury ist immer eine große Aufgabe", sagt Projektleiterin Patricia Bodensohn. Doch in diesem Jahr hätten die Corona-Bestimmungen daraus eine ganz neue Herausforderung gemacht. Bereits seit Februar wird an dem Projekt gearbeitet. Die internationalen Filme mussten für die Kinder übersetzt werden. "Normalerweise geschieht diese Arbeit in einem professionellen Tonstudio", erzählt Bodensohn. Der Lockdown sei dann ein großer Schock gewesen. "Wir haben am Anfang nicht damit gerechnet, dass die Preisverleihung in diesem Jahr stattfinden kann."

Um die deutschen Synchronstimmen aufzunehmen, mussten private Wohnzimmer herhalten. Das Prix-Team mit Praktikanten, 30 ehrenamtliche Unterstützer und selbst Geschwister und Eltern haben den Helden der eingereichten Filme ihre Stimmen geliehen. 35 Filme mussten so eine deutsche Synchronfassung bekommen. Für die neuen Probleme mussten kreative Lösungen gefunden werden. So halfen geöffnete Kleiderschränke dabei, die Akustik zu verbessern. Wie kompliziert und zeitaufwendig diese Arbeit war, erklärt Martins Vater Felix Höpfl: "Ohne die Regieanweisungen und das richtige Equipment bedeutete das viel Ausprobieren und neue Anläufe." Die Arbeit lohnt sich aber auch: "Die eigene Stimme in einem Film zu hören, ist eine Riesenfreude."

Auch die Preisverleihung lief anders ab als gewohnt. Die Abschlussgala wurde virtuell veranstaltet, und statt des "Goldenen Elefanten", den die Sieger normalerweise verliehen bekommen, gab es in diesem Jahr ein "Goldenes Mammut". "Das fanden wir passend für das Mammutprojekt, das wir gemeistert haben", erklärt Patricia Bodensohn.

In der Kategorie Fiction überzeugte übrigens die US-amerikanische Serie "Ghostwriter" die Jung-Juroren. Die BR-Produktion "Anna und der wilde Wald" holte den Preis in der Kategorie Non-Fiction.

© SZ vom 01.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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