Sendling-Westpark:Fliegende Fässer

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Die Kirche St. Achaz retten - so lautete der Einsatzbefehl für eine Übung der Sendlinger Feuerwehr im Jahr 1907. (Foto: oh)

In den 150 Jahren ihres Bestehens musste die Sendlinger Feuerwehr nicht nur häufig umziehen, sie war auch an spektakulären Einsätzen beteiligt wie etwa dem Großbrand im Peroxid-Werk von Linde

Von Birgit Lotze, Sendling-Westpark

Vor 150 Jahren, im April des Jahres 1869, brach im Sendlinger Gemeindehaus ein verheerendes Feuer aus. Der Schlüssel zum Feuerhaus lag in den Taschen des Ökonomiebaumeisters, der gerade beim Abendschoppen im "Stiefelwirt" in der Sendlingergasse war. So beginnt die Vorgeschichte der Sendlinger Feuerwehr, die am Wochenende im Westpark ihr 150-jähriges Bestehen feierte. Feuerwehrmann Tim Egger hat mit dem Webteam der Abteilung Sendling ihre Historie aufgearbeitet. Er erzählt nun davon, wie ein reitender Bote den Schlüssel holen musste. Es dauerte, bis er zurück und die Spritze im Feuerhaus zwischen Unmengen landwirtschaftlicher Geräte herausbugsiert war. Dann stellte sich heraus, dass sie eingerostet war. Als alles endlich parat stand, war das Feuer von selbst erloschen, das Gemeindehaus komplett vernichtet.

Nach dieser Erfahrung wollten die Sendlinger eine organisierte freiwillige Feuerwehr aufstellen. Am 22. Juni 1889 wurde diese gegründet. Siebeneinhalb Jahre später wurde Sendling von München eingemeindet, die Sendlinger Feuerwehr integriert. In den nächsten Jahrzehnten wurde die Wache größer, rückte dann auch speziell im Schlachthofviertel und in der südlichen Innenstadt aus. Im Jahr 1914 wurde die Sendlinger Feuerwehr zur neuen München Abteilung 1 reorganisiert. Ihr Gerätehaus lag an der Plinganserstraße 21, dazu gab es zwei Sammelplätze: einen im Schlachthofviertel an der Ecke Tumblingerstraße/Kapuzinerstraße, den anderen am Thalkirchner Platz.

Im Januar 1945 kam das Aus: Bei einem Bombenangriff wurde das Gerätehaus zerstört, ebenso die gesamte Ausrüstung und das Löschgruppenfahrzeug. "Das Gebäude rutschte regelrecht den Hang hinunter", berichtete ein Zeuge damals. Bis 1980 waren die Sendlinger Feuerwehrmänner in der "Löschgruppe Großhadern" untergekommen, später in der "Löschgruppe Waldfriedhofviertel" mit dem Gerätehaus an der Waldfriedhofstraße. Erst Ende 1980 zogen sie wieder in ihr Viertel zurück - in ein neues Gebäude an der Zillertalstrasse 25. 40 Männer und fünf Frauen sind derzeit in der "Abteilung Sendling". Sie haben auch die stadtweit eingesetzte Sondereinheit "IuK" unter sich, die "Informations- und Kommunikations-Einheit". Dafür arbeiten sie bei den Einsätzen auch mit einer eigenen Motorradstaffel.

Der bekannteste Kopf der Sendlinger Feuerwehr war Hermann Weinhart, der 17 Jahre die Gruppe kommandierte, von 1895 bis 1912. Weinhart war offiziell "Hoffeuerwehrgeräthefabrikant". Er konstruierte Gerüstvorrichtungen und Leitern selbst und hat laut Quellen geschätzte hundert Mal den Petersturm zum Ausbessern bestiegen. Auch an der Neueindeckung der Theatinerkirche in den Jahren 1904 bis 1912 soll er großen Anteil gehabt haben. Ansonsten war er offenbar mit einer guten Portion bayerischem Humor ausgestattet, wer sich auf ein Wortgeplänkel einließ, konnte sicher sein, schlagfertig abgespeist zu werden. Er brachte auch gerne seine Gesprächspartner in Wallung, indem er heimlich eine brennende Kerze unter deren (Blechplatten-)Stuhl stellte.

So einige große Einsätze haben die Sendlinger Brandbekämpfer hinter sich. Gleich in den Anfangsjahren, 1875, gab es einen großen Brand in der Röcklschen Kerzenfabrik an der Thalkirchner Straße. Überall Kerzen und Talg, ein schwieriger Einsatz. Das Hauptgebäude konnten sie nicht mehr retten, auch von den Kerzen war offenbar kaum noch etwas übrig nach dem Brand.

Thomas Holz, Abteilungsführer von 1980 bis 1993, erinnert sich an den Einsatz, der in der neueren Geschichte der Sendlinger Feuerwehr den größten Eindruck hinterlassen hat, 1982, als das Peroxid-Werk neben der Firma Linde in Höllriegelskreuth brannte: Ein riesiger Rauchpilz war schon von Weitem sichtbar, 200-Liter-Fässer mit Peroxid explodierten. "Die Fässer flogen wie Raketen durch die Luft." Die Flammen schlugen, vom Wind angetrieben, auf die daneben verlaufende S-Bahnlinie über, die Oberleitung glühte. Thomas Holz suchte beim Löschen mit seinen Leuten Deckung an einer Schuppenwand. Ortskundigere Feuerwehrmänner machten sie gerade noch rechtzeitig darauf aufmerksam, dass der vermeintlich sichere Schuppen ein Gasflaschenlager war.

Erst später hätten sie festgestellt, in was für einer Chemieküche sie da gekämpft hatten, sagt Holz. Den "klebrigen Baatz" hätten sie kaum abgekriegt, die Einsatzkleidung löste sich auf. "Hätte der Einsatz noch länger gedauert, wären wir wohl leicht angefressen zurückgekommen." So habe die Kleiderkammer eine extra Runde Hosen und Jacken ausgegeben und die Sendlinger Feuerwehr sei wieder für den Alltag einsatzbereit gewesen: "Für viele Aschentonnen, Zimmerbrände, Hagelschäden und abgesoffene Keller."

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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