Sendling-Westpark:Dem geistlichen Gesang verschrieben

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Für Ostern proben die Sängerinnen und Sänger der Jungen Domkantorei noch intensiver als sonst. Viele sind seit der ersten Klasse dabei, der Chor ist wie eine Familie für sie

Von Irini Bafas, Sendling-Westpark

Wenn Benedikt Celler die Hand hebt, trifft ihn ein Klang, so sauber, dass er von einer Schallplatte stammen könnte. Die Melodie läuft in einem präzisen Rhythmus durch, der jedes Metronom überflüssig macht. Doch Celler unterbricht. "Das klingt zu martialisch", sagt er. "Ihr könntet noch ein bisschen flexibler sein." Er spielt dieselbe Melodie auf dem Flügel vor, der Chor auf der Tribüne im Probesaal setzt erneut an. Dieses Mal ist Celler zufrieden.

Der 27-Jährige leitet drei Chöre der Domsingschule, darunter die Domsingknaben und die Mädchenkantorei. An diesem Tag probt die Junge Domkantorei - das sind an die 40 Sängerinnen und Sänger zwischen 15 und 25 Jahren. Jeder hat seinen festen Platz, Sakkoträger neben Hemdenträger neben Kapuzenpullover. Es ist die letzte Probe vor den Konzerten für die Ostertage. Für Gründonnerstag hatten sie das Programm der Messe vom letzten Abendmahl, die Missa Sanctissimae Crucis von Josef Gabriel Rheinberger, geübt. Am Ostersonntag singen sie traditionell die "Feierliche Vesper an Ostern" von Max Eham und Georg Friedrich Händels Halleluja. Die jungen Sängerinnen und Sänger kennen das Programm bereits, es ist das gleiche wie im vergangenen Jahr. Die Probe dauert etwa zwei Stunden, in dieser Zeit müssen sie nicht nur die Lieder für Ostern durchgehen, sie müssen sich auch für das Domkonzert am 22. April vorbereiten. Für Celler bedeutet das Stress, denn bei den Konzerten singt nicht nur die Junge Domkantorei, es singen alle seine Chöre.

"Es kling einfach wunderschön". Für Ostern haben die jungen Sängerinnen und Sänger unter anderem Georg Friedrich Händels Halleluja einstudiert. Es wird vorgetragen am Ostersonntag in der Frauenkirche bei der feierlichen Pontifikalvesper um 17 Uhr. (Foto: Robert Haas)

Die meisten Choristen hier sind seit der ersten Klasse an der Domsingschule. Die Aufnahme ist hart: Nur wer beim Vorsingen überzeugt, bekommt einen Platz. Und wer einen Platz bekommt, muss bereit sein, einen großen Teil seiner Freizeit der geistlichen Musik zu widmen. Die Domsingschule ist ein Hobby, das fördert, aber auch fordert. Andere Jugendliche und junge Erwachsene nutzen die Osterferien zum Ausschlafen und Verreisen. Für die Sängerinnen und Sänger der Domkantorei bringen sie eine der größten Verpflichtungen im Jahr mit sich. Proben, Konzerte, Gesangsunterricht. Erst am Ostermontag finden sie Zeit für ihre Verwandtschaft. "Viele fragen uns: Warum tut ihr euch das an", sagt Laura Vogel - dunkles schulterlanges Haar, dezente Schminke, lässiger Cardigan. Sie ist 19 Jahre alt und studiert katholische Theologie. Der Chor ist für sie wie eine zweite Familie. An Sonntagen steht sie manchmal um 6.30 Uhr auf, um zum Singen in die Kirche zu gehen. Viele Wochenenden verbringt sie mit Zusatzproben, vor allem wenn Konzerte anstehen.

Vogel tut sich das nicht an - sie macht es mit Freude. Und sie liebt die geistliche Musik. "Es klingt einfach wunderschön", sagt sie. "Und so etwas macht nicht jeder." Einige der Chormitglieder sind mitten in der Pubertät - eine Phase der Selbstfindung, in der vielen jungen Leuten nichts lieber wäre, als zu sein wie "jeder". Bei den Jugendlichen der Jungen Domkantorei wirkt es, als hätten sie sich bereits gefunden - durch die Musik und durch den Glauben. Gemeinsam singen sie von Gott, von Nächstenliebe und von Christi Gesetz.

Der 27-jährige Benedikt Celler leitet drei Chöre der Domsingschule. (Foto: Robert Haas)

"Wenn du gläubig bist und einen Chor suchst, der ein gewisses Niveau hat, ist das hier genau das Richtige", sagt Michael Buba. Der 19-Jährige ist vergleichsweise neu in der "Familie"; seit drei Jahren singt er bei der Jungen Kantorei. Neben dem Chor und dem Maschinenbaustudium nimmt er Gesangsunterricht. Je schwieriger ein Werk, desto mehr Spaß hat er. Chorleiter Celler sagt, er habe auch schon Seichteres mit dem Chor ausprobiert. "Aber das war fast zu langweilig."

Auch das gehört zum Reiz der Osterzeit: der musikalische Anspruch. Gerade die Missa Sanctissimae Crucis ist eine Herausforderung, nicht nur wegen der dynamischen Bandbreite und des A-cappella-Gesangs. Der Text ist schwer und düster, er handelt von der Kreuzigung Christi. "Es ist eine grausame Story", sagt Vogel. Das spüre sie auch beim Singen. "Aber sie ist ja immer grausam, nicht nur zur Osterzeit. Damit müssen wir zurechtkommen." Umso leichter falle ihnen die Ostervesper und das Halleluja am Sonntag, wenn alle Chöre gemeinsam singen, laut und kräftig. Nach der anstrengenden Zeit sei das fast entspannend, sagt Celler.

Zu seicht dürfen die Werke nicht sein, hat Benedikt Celler festgestellt, sonst wird es seinen Sängern langweilig. (Foto: Robert Haas)

Für Momente wie diesen haben sich die Sängerinnen und Sänger der Münchner Dommusik dem kirchlichen Gesang verschrieben. Und auch Celler freut sich darauf, denn dann wird all der Stress von ihm abfallen. Dann kann er sich ganz der Stimmung hingeben, die sich in der Kirche ausbreitet. "Wir übertragen ein Gefühl an die Leute, und irgendwann übertragen sie es auch an uns", sagt der Leiter. Und dieses Gefühl sei ein gutes, sagt der Chor.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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