Sendling:Sichtbar werden

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Chance im Untergrund: Unbekannte Künstler können sich neuerdings im "Artespace" präsentieren. Den Kellerraum bietet eine Initiative an, nachdem immer mehr Ausstellungsräume in Hinterhöfen verschwinden

Von Sophia Allenstein, Sendling

Der neue Kunstraum "Artespace" in Sendling ist gut versteckt. Hinter einem Hausflur mit Kinderwagen geht es eine Treppe hinunter und durch Kellergänge hindurch: Dann hat der Gast schließlich sein Ziel erreicht. Es erwarten ihn unebene, weiß verputzte Wände und ein knarrender Dielenboden. Etwas Licht fällt durch Rundbogenfenster hinab in dieses Untergeschoss. Früher nutzten die Nationalsozialisten den Keller als Funkleitzentrale, heute bietet er Freiraum für Künstler. Auf etwa 28 Quadratmetern stellen die Gründer von Artespace, Furio Torracchi, Xavier Orignac und Christophe Schneider, künftig regelmäßig Werke aus. "Wir suchen Künstler, die noch nicht bekannt sind. Wir wollen ihnen einen Platz geben, um sichtbar zu werden", erklärt Furio Torracchi das Konzept. Die Vita und das Alter der Künstler, häufig Kriterien für die Aufnahme in Galerien, sind den Gründern dabei egal. Nur ihr Können sei von Interesse.

Stuhlkreis der Artespace-Gründer (von links): Xavier Orinac, Furio Torracchi und Christophe Schneider. (Foto: Catherina Hess)

Margit Memminger, die seit vergangenem Wochenende im Artespace als Erste eine Einzelausstellung zeigt, sieht den Kunstraum daher auch ein wenig als Independent-Galerie. "Es gibt plötzlich jemanden, der sich auch für Undergroundkünstler interessiert, die nicht im krassen Kunstbusiness mitmischen", sagt sie. "In normale Galerien kommt man kaum rein, oder man muss sich einkaufen."

Wie schwer es in München ist, Raum für Kunst zu finden, wissen die Gründer aus eigener Erfahrung - sie sind selbst künstlerisch tätig. Vor etwa zehn Jahren habe es noch mindestens fünf oder sechs Hinterhofateliers allein in Sendling gegeben und mehr Ausstellungsflächen, wo man sich habe einmieten können, erklärt der Fotograf Christophe Schneider. "Dieser Raum ist sehr geschrumpft. Viele Ateliers in den Hinterhöfen sind vernichtet worden" - etwa an der Oberländerstraße. Auch aus diesem Grund haben sie den Artespace im Dezember vergangenen Jahres ins Leben gerufen. Die Kunst der Gründer soll trotzdem nicht ständig in den Ausstellungen auftauchen - das werde schnell langweilig. Stattdessen suchen Furio Torracchi, Xavier Orignac und Christophe Schneider, die sich über den Verein "Kunst in Sendling" kennen, nach Abwechslung: Verschiedene Kunstrichtungen wie Installationen, Fotografie und Malerei sollen im Kunstraum zu sehen sein, auch Lesungen und Konzerte sind angedacht. Schneider überlegt bereits, Jungfilmer anzufragen, um zum Beispiel deren Bewerbungsvideos für die Hochschule für Fernsehen und Film München zu zeigen. Das Feedback auf die erste Ausstellung mit lokalen, ukrainischen und einer britischen Künstlerin im Dezember sei durchaus positiv gewesen, die Gründer berichten von einer guten Resonanz und verkauften Werken.

Uneitel: Bei ihrer Kunst, sagt Margit Memminger, gehe es ihr um die "totale Freiheit, etwas zu machen, was vielleicht nicht gefällt". (Foto: Catherina Hess)

Am kommenden Wochenende, 14. und 15. März, können Besucher im Artespace noch Werke des abstrakten Expressionismus von Margit Memminger betrachten. Unruhige, wilde Linien kreuzen sich in ihren Malereien vor bewegten Texturen und Helligkeitsverläufen. Memminger arbeitet hierfür mit mehreren Schichten aus Ölfarben, Tempera und Gesteinsmehlen, die sie abträgt und einritzt. Zu ihren Werken sagt sie: "Ich will niemandem gefallen. Es geht auch um die totale Freiheit, etwas zu machen, was vielleicht nicht gefällt." Beim Malen begebe sie sich auf die Suche nach einem archaischen Urgefühl, Ziel sei das Sprengen von Konventionen, "alle Gedanken wegzulassen und einfach nur zu tun". Unterstützt werde dieser Zustand durch Musik: Songs mit Bass und Trommel helfen ihr, sich dem Immateriellen anzunähern, im Augenblick zu sein und "etwas zu schaffen was fernab der Materie ist - durch Materie".

Artespace, Daiserstraße 9, Samstag, 14. März, 14 bis 20 Uhr, Sonntag, 15. März, 12 bis 18 Uhr. Musikeinlage Raumweltschrott (Nowave), 14. März, 20 Uhr.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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