Sendling:Schlechte Aussichten

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An der Plinganserstraße haben die Bauarbeiten für Münchens siebtes Clearinghaus begonnen. Damit wird der letzte freie Blick über die Hangkante verstellt - auch die gewünschte Verbindung hinunter zur Isar ist unsicher

Von Birgit Lotze, Sendling

In Sendling ist lange darüber gestritten worden, ob man das letzte freie Grundstück an der Isar-Hangkante entlang der Plinganserstraße bebauen soll. Niemand wollte den Blick verstellt sehen, denn: Die viel gerühmte Hangkante, mit 23 Prozent Steigung Münchens steilste Stelle, ist außer an ein paar zugepflasterten Treppen und Straßen kaum mehr zu erkennen. Jetzt ist dort eine Baustelle, die Aushubarbeiten für das seit mehr als acht Jahren geplante Clearinghaus sind in vollem Gange. Im ersten Halbjahr 2018 soll der Bau bezugsfertig sein. Das bedeutet auch: Für rund zwei Jahre wird die Plinganserstraße zwischen Oberländer- und Lindenschmitstraße nur einspurig befahrbar sein, der Gehweg ist nicht benutzbar.

Doch die Hangkante verzögert offenbar den Bauablauf beträchtlich. "Wenn wir auf der grünen Wiese bauen würden, könnten wir zwei oder drei Kräne einsetzen, hier am Hang eben nur einen", sagt Bernd Weber, Geschäftsführer des Katholischen Siedlungswerks, der Bauherr des Großprojektes. Die Hanglage erfordere auch, dass zwei Stockwerke in die Tiefe gebaut werden müssen - "ebenfalls ein Zeitfresser". Hinzu komme die beengte Innenstadtlage.

Das Bauprojekt der katholischen Kirche soll vierstöckig werden, jedes Geschoss erstreckt sich über mehr als 3000 Quadratmeter. 31 Wohnungen für wohnungslose Frauen und Familien sollen an der Plinganserstraße entstehen, dazu Räume für die Hausverwaltung und ein kleines Café. Der Beginn des Rohbaus ist im Frühjahr geplant, die katholische Kirche muss auch die Altlasten entsorgen. Früher stand hier ein Feuerwehrhaus, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Grundstück mit Brand- und Baustoffresten aufgefüllt und liegen gelassen. Genutzt wurde es in den vergangenen 70 Jahren nicht offiziell, einem benachbarten Kindergarten diente es als Außenspielfläche.

Jetzt haben die Bagger das Wort: Bereits im ersten Halbjahr des Jahres 2018 soll das neue Clearinghaus bezugsfertig sein. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In Sendling wird die Baustelle mit Argwohn gesehen. Fußgänger, Autofahrer und auch Kinder der angrenzenden Schule fühlen sich von der einengenden Baustelle an der viel befahrenen Plinganserstraße gestört und gefährdet- schließlich ist sie für die Sendlinger und auch den Durchgangsverkehr eine Hauptroute in die Innenstadt. Auch fürchtet man, dass mitten im Zentrum ein Koloss entsteht. Das Ergebnis eines Architekten-Wettbewerbs hatte die Stadtviertel-Politiker kaum überzeugt - "ein Riegel", so ihr abwertendes Urteil. Der Bezirksausschuss (BA) hatte immer wieder gefordert, den Bau "durchlässig" zu halten, Durchblicke zuzulassen und auch einen Durchgang über die Hangkante zu ermöglichen. Daraus scheint derzeit nichts zu werden.

Die katholische Kirche hat vor, das Siegerkonzept, so wie es vorliegt, zu verwirklichen. "Das wird ein viereckiger Kasten", gibt Bernd Weber vom Siedlungswerk zu. In einem Punkt will die Kirche Kritikern entgegengekommen. Nicht als Durchbruch im Gebäude, aber am Rand des Hauses soll eine Treppe die Verbindung von der Plinganserstraße elf Meter hinunter zur Kidlerstraße möglich machen.

Sollte die Stadt bei dieser Lösung nicht mitziehen, könnte auch dieser kleine Kompromiss noch scheitern. Denn das Grundstück des künftigen Clearinghauses erstreckt sich nicht ganz hinunter zur Kidlerstraße, dort unten steht der Kindergarten des Sozialdienstes katholischer Frauen. Dessen Geschäftsführerin zeigte sich nicht erfreut, aber ist jetzt dann doch bereit, den Platz für einen Verbindungsweg von ihrem Grund abzutreten - allerdings müsse die Stadt für Bau, Unterhalt und Verkehrssicherung eintreten. Doch eine Vereinbarung darüber gibt es bis heute nicht.

Im Kommunalreferat, das das Grundstück erwerben müsste, liegt zwar der Wunsch vor, heißt es in einer Mitteilung. Voraussetzung für einen Kauf durch die Stadt sei jedoch ein Auftrag des Baureferats, das den Weg anlegen müsse; den gibt es allerdings nicht. Im Baureferat weiß man gar nichts von einem Weg. Offenbar ist der Wunsch im Planungsreferat stecken geblieben. Die Lokalbaukommission habe den Bauantrag jetzt auch ohne die Wegeverbindung genehmigt, so ist zu hören. Rechtlich sei es nicht möglich gewesen, den Weg beim Bauherrn einzufordern. Es gebe ja eigentlich auch ganz gute andere Verbindungen zwischen Plinganserstraße und Kidlerstraße, stellt der Pressesprecher fest.

Bleibt es beim aktuellen Stand, dann endet die Treppe, die die Kirche bauen wird, also im Nichts. Dass daran gearbeitet werden muss, forderte der Sendlinger Bezirksausschuss schon vor eineinhalb Jahren. Der Vorsitzende Markus Lutz (SPD) sprach damals buchstäblich von einem Treppenwitz. Jetzt ist der Aushub bereits voll im Gange, und die Stadtteilpolitiker sind immer noch nicht darüber informiert worden, wie die Durchwegung der Plinganserstraße 27 bis 31 gestaltet werden soll. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Kaiser hat deshalb am Montagabend zunächst einen sofortigen Baustopp gefordert. Nach einstimmigen Beschluss des Bezirksausschusses sollen die Behörden nun zumindest bis Anfang Januar Zeit für eine Stellungnahme haben.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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