Sendling:Neue Welt

Auslaufmodell Briefmarke

Von Lo, Sendling

Statt Papier zu horten, lesen Jugendliche meist lieber digital. Doch nicht nur Gedrucktes droht zum Fossil zu werden. In der Bürgerversammlung der Kinder und Jugendlichen in Sendling zeigte sich, dass der Briefträger für die Jüngeren definitiv ein Auslaufmodell ist. Mancher nimmt ihn offenbar gar nicht mehr wahr. Einem Zehnjährigen, der für seinen Antrag für mehr Tempokontrollen vor seiner Schule nicht die nötige Mehrheit gefunden hatte, versprach der Kinder- und Jugendbeauftragte im Bezirksausschuss, sich darum zu kümmern und mit der Polizei zu sprechen. "Ich schreibe dich dann an, damit du erfährst, was bei diesem Gespräch herausgekommen ist", versprach Rene Kaiser, der Kinderbeauftragte. "Wie schreiben Sie mich an? Whatsapp? Facebook?", hakte der Zehnjährige nach. Schließlich hatte er nur seine Adresse auf dem Antrag hinterlassen. "Nein, einen ganz normalen Brief", antwortete die Kinderbeauftragte. "Häh?" fragte der Junge. "Da, wo eine Briefmarke drauf kommt", sprang ein Sozialpädagoge helfend bei. "Puh", so der Zehnjährige, der wirkte, als ob er im Kopf gerade sämtliche Netzwerke, Online-Dienste und Apps abrief, die er jemals zu sehen bekommen hat. Er kam dann zu dem Schluss: "Einen Brief - kenn ich nicht."

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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