Sendling:Mitmischen lohnt sich

Lesezeit: 3 min

Ein Podium der Volkshochschule im Münchner Süden sucht Wege, wie Bürgerbeteiligung wirklich gelingt

Von Jürgen Wolfram, Sendling

Eine Veranstaltung wie ein Appell, sich im eigenen Stadtviertel zu engagieren: Die Münchner Volkshochschule Süd hat bei einem Podiumsgespräch Kommunalpolitiker und Bürger miteinander ins Gespräch gebracht, um demokratische Prozesse zu beleben, Wege zur politischen Teilhabe aufzuzeigen und Verständnis für das manchmal mühsame Zusammenspiel zwischen Bürgerschaft, Bezirksausschüssen, Stadtrat und Verwaltung zu wecken. Als Kernbotschaft des Abends formulierte Antonia Heigl, die Moderatorin von der VHS: "Sich für Demokratie einzusetzen und vor der eigenen Haustür im öffentlichen Leben mitzumischen, lohnt sich." Nicht Heigls Schuld, dass sich die Diskussion immer mal wieder ins Dickicht der Münchner Verkehrsprobleme verirrte.

Wie gelingt Bürgerbeteiligung? Antworten, die über die formalen Instrumente (Bürgerbegehren, Workshops, Bürgersprechstunde, Bürgerversammlung) hinausweisen, glaubt Günter Keller (SPD) gefunden zu haben. Der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Sendling-Westpark führte als Beispiel eines geglückten Dialogs die Neugestaltung des Partnachplatzes an. Intensive Diskussionen mit und ohne Politikerbeteiligung zu Zeiten, die auch Berufstätigen eine Teilnahme ermöglichten, hätten am Ende Resultate erbracht, mit denen sich die Stadtteilbevölkerung identifiziere. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, "dass sich wirklich alle einbringen können".

Im selben Stadtbezirk kann man ebenso studieren, wie die Vorstellungen der Politik mit jenen der Bürger nicht harmonieren. Die von den Grünen geborene und von Teilen der SPD unterstützte Idee einer Sperrung der Höglwörther Straße auf Höhe der Zielstattstraße, wo die beiden Teile des Südparks zusammenwachsen sollen, komme bei den Anwohnern gar nicht gut an. Keller berichtete von einer Erhebung, wonach zwei Drittel der Bewohner der Gegend das Vorhaben wegen drohender Umwege strikt ablehnten.

In allen Stadtbezirken des Münchner Südens stehen die Zeichen auf Bevölkerungswachstum, Wohnungsmangel und Verkehrsdruck, gepaart mit lokalen Spezialproblemen. In Sendling sind das die Planungen für das Gasteig-Interim und die neue Großmarkthalle, in Sendling-Westpark Gestaltungsfragen rund um den Luise-Kiesselbach-Platz, in Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln die Neuordnung des Gewerbebands. CSU-Stadträtin Manuela Olhausen riet dazu, bei allen größeren Vorhaben die Bürger zeitig zu beteiligen. Doch diese sollten den Ruf dann auch erhören, was leider nicht immer garantiert sei. Olhausen: "Es wäre schön, wenn sich mehr Leute an Workshops beteiligen, dann hätten wir im Rathaus ein breiteres Spektrum an Rückmeldungen."

Vermutete Spannungen zwischen Bürgern und Bezirksausschüssen einerseits und dem Stadtrat sowie der Verwaltung auf der anderen Seite stellten die Parteienvertreter auf dem Podium schlicht in Abrede. Stadtrat Jens Röver (SPD) betonte im Gegenteil, es bestehe zwischen allen Ebenen eine "enge Zusammenarbeit". Und ständig auf die Verwaltung zu schimpfen, sei "nicht die richtige Herangehensweise". Alle Beteiligten wüssten, dass sich ein Bezirksausschussmitglied auf sein Stadtviertel fokussiere, während Mitglieder des Stadtrats "das Gesamtwohl der Stadt im Blick" behalten müssten. Anja Berger, Stadträtin der Grünen, versicherte: "Wir schauen uns immer gut an, was an Anregungen aus den Bezirksausschüssen kommt."

Mit der Kritik an der Stadtverwaltung hatte es damit allerdings nicht sein Bewenden. Aus dem Publikum setzte es Kritik, weil in München "alles viel zu lange dauert". Ein Diskussionsteilnehmer mittleren Alters zog in Zweifel, "die Tram West, die U 9 oder die neue Großmarkthalle überhaupt noch zu erleben". In einer Stadt, die vier Jahre brauche, um ein Schild aufzustellen, könne irgendwas nicht stimmen. Röver räumte ein, dass "ungefähr zehn Prozent aller Probleme" tatsächlich zu lang einer Lösung harrten. Das habe mal mit mühsamen politischen Prozessen zu tun, mal mit komplizierten Vorschriften, eher nicht mit der Stadtverwaltung. Selten hilfreich sei es jedoch, wenn gleich mehrere Referate mit einem Thema befasst sind, ergänzte Günter Keller, der es wissen muss. Der Sozialdemokrat gehört dem Bezirksausschuss Sendling-Westpark seit 1982 an.

Was die Münchner wirklich bewegt, hat die Volkshochschule vor ihrer Podiumsveranstaltung in einer kleinen Umfrage herauszufinden versucht. Antonia Heigl gab Auskunft: "Tempo 30 vor Schulen, sichere Radwege, bezahlbarer Wohnraum, mehr Grün, Treffpunkte mit Sitzbänken sind gefragt." Beim Wunsch nach neuem Wohnraum und zugleich mehr Grün werde München wohl einen "Spagat" hinlegen müssen, vermutet Heigl. BA-Mitglied Richard Ladewig (FDP) zeigte auf, wie es vielleicht klappen könnte: "Man wird wohl mehr in die Höhe als in die Breite bauen müssen, um Flächen zu schonen."

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: