Sendling:Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen

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Seit gut einer Woche hängt die Botschaft des Wirts im Fenster. (Foto: privat)

Das "Casa mia" in Sendling schließt Ende der Woche. 2016 hatten sich regelmäßig Anhänger von Pegida dort getroffen

Von Birgit Lotze, Sendling

Das Restaurant "Casa mia" an der Implerstraße wird am Freitag ein letztes Mal geöffnet sein. Betreiber Giovanni Costa und seine Familie geben auf. Eigentlich geht das Casa mia als typischer "Italiener ums Eck" durch. Doch vor eineinhalb Jahren erregte es stadtweit Aufmerksamkeit, weil es über drei Monate als Gastgeber für Pegida-Anhänger auftrat. Etwa 35 extreme Rechte trafen sich damals dort regelmäßig nach der Demo, lag der kleine Italiener doch nur fünf Stationen von ihrer Aufmarschzone am Odeonsplatz entfernt.

Wirt Giovanni Costa hat momentan für Fragen der SZ "keine Zeit", wie er mehrmals betont. Doch seine Stellungnahme hat er abgegeben: Sie hängt im Fenster seines Lokals. Er führt "wirtschaftliche Gründe" an. Und er macht den Sendlinger Bezirksausschuss (BA) und die Antifaschisten, die "Nazis verpisst euch" an die Fassade des Casa mia gepinselt hatten, dafür verantwortlich. "Dank widmen wir an dieser Stelle dem BA-Sendling und an die mutigen Leute, die im Schutze der Nacht unsere Mauern besudelt haben."

Die Lokalpolitiker hatten sich damals eingeschaltet, als bekannt wurde, dass sich Extremisten im Casa mia einen Stammtisch einrichteten. Der Wirt hatte auf Aufrufe der Fachstelle gegen Rechtsextremismus und des Hotel- und Gaststättenverbands, die allen Wirten Unterstützung anboten, um rechtsextremer Propaganda keinen Raum zu geben, gar nicht reagiert. Erst als der BA einschritt und klarmachte, dass Pegida vom Verfassungsschutz observiert werde und er nicht verpflichtet sei, die Anhänger zu bewirten, reagierte der Wirt - zumal sich die Brauerei Anheuser Busch Deutschland einschaltete und sich von populistischem und extremistischem Gedankengut distanzierte.

Offenbar mussten die Stadtteilpolitiker und die Brauerei mehrmals mit dem Wirt reden, er wollte den Umsatz nicht verlieren. Dann jedoch sprach er mit den Pegida-Anhängern, um "die Position deutlich zu machen", wie damals der Unternehmenssprecher der Brauerei sagte. Die Stadtteilpolitiker haben sich seitdem nicht mehr bei dem Lokal eingeschaltet. Es habe keinen Grund dafür gegeben, sagt der BA-Vorsitzende Markus Lutz (SPD). "Pegida ist abgestellt - seit mindestens einem Jahr."

Das Casa mia war allerdings nicht nur für Pegida ein Stammlokal. Anwohner und Menschen, die in der Gegend arbeiten und das Lokal für die Mittagspause nutzen, trauern jetzt um ihr Stammlokal, sind "geschockt" und "todtraurig". Das Casa mia sei für ältere Leute ein Treffpunkt, auch Menschen aus dem benachbarten Wohnheim hätten sich den günstigen Mittagstisch ab und zu geleistet. Wieder verschwinde in Sendling ein Nachbarschaftsrestaurant, sagt eine Anwohnerin. Das Casa mia sei ein Laden des alten Schlages, in dem das Preis-Leistungs-Verhältnis noch passe. "Wer weiß, was jetzt kommt."

Gerüchte sind im Umlauf: Die Brauerei habe dem politischen Druck des BA nicht standgehalten, heißt es dort am Tisch. Deshalb habe sie dem Wirt gekündigt. Die Antifaschisten hätten durch Anti-Nazi-Rufe Stammgäste vertrieben. Viele Gäste haben den Eindruck, dass seit dem Pegida-Vorfall weniger Gäste kamen. Eine "Mittagsessengemeinschaft" erzählt, dass sie früher immer reservieren musste. "Seit letztem Jahr ist es kein Problem mehr, Freitagmittag einen großen Tisch zu bekommen."

Dass sein Ruf, Gastgeber für Rechtsextreme zu sein, dem Wirt geschadet hat, darauf deutet auch der Grund für die Kündigung hin, die die Brauerei nun ausgesprochen hat - nicht überraschend, sondern im Einvernehmen mit dem Wirt. Nein, sie sei nicht politisch motiviert gewesen, sagt der Unternehmenssprecher, sondern "rein wirtschaftlich bedingt". Die Außenstände hätten eine weitere Zusammenarbeit nicht ermöglicht.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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