Sendling:Im Abseits

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Der Bezirksausschuss fordert von der Stadt, den Mietvertrag mit dem "Verein zur Pflege der Münchner Fußballkultur" im Hochbunker nicht zu verlängern. Stattdessen wünscht sich das Gremium eine bürgernahe Nutzung

Von Birgit Lotze, Sendling

Geht es um den Sendlinger Bunker, findet man sich unversehens in einer der dunklen Ecken der Stadt wieder - die Münchner Verwaltung gibt sich jedenfalls verschlossen. Die Identität der Mieter des trutzigen Relikts aus Kriegstagen nennt das zuständige Kommunalreferat nicht, nur einen "Verein zur Pflege der Münchner Fußballkultur", der kurz vor Abschluss des Mietvertrags vor drei Jahren noch schnell gegründet wurde. Ansonsten beruft sich das Referat auf Datenschutz.

In Sendling stößt das Verhalten bei allen Parteien auf Unverständnis. Angesichts der großen Raumnot im Viertel würde man den Bunker gerne durch Sendlinger Vereine genutzt sehen. Jetzt schöpft man wieder Hoffnung: Denn zum Jahresende 2020 soll der Mietvertrag der Stadt mit den Fußballkulturpflegern auslaufen.

In Sendling hat die Geheimniskrämerei immer wieder Anlass für Spekulationen gegeben: dass sich die Stadtoberen beim Hochbunker vor den Karren großer Vereine spannen ließen, womöglich aus wahltaktischen Gründen, vielleicht wegen Beziehungsverflechtungen - zulasten von Engagierten aus dem Stadtviertel. Auch der Mieter selbst ist im Viertel nicht unbedingt gern gesehen. Anwohner vermuten dahinter eine Fangemeinschaft des TSV 1860 München. Seitdem der Bunker an den Verein zur Pflege der Münchner Fußballkultur vermietet ist, beschwerten sich Sendlinger im Bezirksausschuss (BA) über den Autoverkehr an Spieltagen der dritten Liga, über Autokolonnen im Wohnviertel und Parken in zweiter Reihe. Fahnen der Sechzger-Ultras würden vom Hochbunker zum Stadion transportiert und nach den Spielen zurückgebracht.

In der jüngsten Sitzung hat der BA die Stadt aufgefordert, den Mietvertrag mit dem Verein zur Pflege der Münchner Fußballkultur nicht zu verlängern. Die Stadt müsse eine bürgernahe Nutzung des Hochbunkers ermöglichen. Ein gutes Finanzkonzept dürfe nicht allein das ausschlaggebende Kriterium für die Vergabe sein, führte die Initiatorin des Antrags Anja Berger (Grüne), die auch Stadträtin ist, an. "Wir sind der Meinung, dass hier dem Wunsch der Sendlinger und Sendlingerinnen und des BA nach einer kulturellen Nutzung und der Öffnung und Einbeziehung unserer Bürger und Bürgerinnen deutlich mehr Gewicht gegeben werden sollte."

Dass die Stadt das Bauwerk überhaupt noch einmal vermietet hat, geht auf den Verein Sendlinger Bunker zurück. Sendlinger Künstler hatten dies angeregt, sie hatten keinen Raum und wollten den leer stehenden Hochbunker für Ausstellungen und Aufführungen ausbauen - mit Werkstätten, Übungsräumen und Café. Sie bespielten die Räume einige Male, dann erfolgte die öffentliche Ausschreibung. Das Kommunalreferat, damals SPD-geführt, kündigte im Jahr 2016 überraschend an, dass der Sendlinger Bunkerverein keinen Mietvertrag erhalten solle.

Der Hochbunker an der Thalkirchner Straße war in der Vergangenheit schon öfter Kulturstätte. (Foto: Stephan Rumpf)

Im Sommer 2017 zog dann der bis dato völlig unbekannte Verein ein. Nach dem Grund gefragt, antwortete das Kommunalreferat damals, die Stadt müsse darauf schauen, dass die Miete hereinkomme. Bei dem Kulturverein sei die regelmäßige Zahlung nicht gesichert, der andere Verein habe da ein ungleich besseres Finanzpolster.

In der jüngsten BA-Sitzung wurde unterstrichen, dass man eine Öffnung begrüßen würde, Bürger sollten Bunker und Garten an der Ecke Thalkirchner und Gotzinger Straße wieder besuchen können. Mit dem jetzigen Nutzer werde diese Hoffnung nicht erfüllt, sagte Anja Berger. Der Verein nutze den Bunker als Aufbewahrungsort für die Materialien für die Stadion-Choreografien - und als Treffpunkt, um zu den Spielen zu fahren oder für Partys. Der Sendlinger Bunkerverein habe den Bunker, als er ihn vor 2016 nutzen durfte, mit, wie Anja Berger sagt, "geglückten und begeisternden Veranstaltungen" für die Bevölkerung geöffnet und mit Leben gefüllt. "Die Resonanz war sehr gut. Das Unverständnis, warum der Verein die Zusage nicht bekommen hatte, war deshalb sehr groß."

Nach wie vor ist das Dickicht nicht gelichtet. Anfang des Jahres war Gerhard Kammerlander, beim Kommunalreferat für Sonderobjekte zuständig, im Bezirksausschuss. Da wurde das Referat von der CSU geführt. Trotz des Leitungswechsels fühlten sich die Sendlinger Lokalpolitiker auch danach nicht informierter. Dem Stadtbezirksgremium liegt nach wie vor weder ein Betriebskonzept noch ein Mietvertrag vor. Der Verein habe sich selbst einmal in einer Sitzung vorgestellt, sagt der Vorsitzende Markus Lutz (SPD). Doch seitens der Stadt habe der BA nichts schriftlich erfahren. "Wir wissen offiziell weder wer der Mieter ist noch wie lange dieser dort zu bleiben gedenkt." Auch sei dem BA kein Ansprechpartner genannt worden.

Seitens des Kommunalreferats hieß es, man könne aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht Stellung dazu beziehen, wann der Mietvertrag auslaufe oder ob die Behörden erwögen, ihn zu verlängern. Vom Verein sei bislang jedenfalls keine Initiative ausgegangen, dass er den Bunker nicht mehr nutzen wolle. Dem Kommunalreferat lägen derzeit keine Beschwerden von Anwohnern mehr vor. Die Behörde sei mehrmals in Kontakt mit dem BA und dem Verein gestanden - um zu vermitteln.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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