"Der Schrein", für geschickte Boulderer ein Paradies und in der Szene mit Kultstatus gewürdigt, soll abgerissen werden. Der Deutsche Alpenverein (DAV) hat bei der Stadt München Anträge eingereicht, nach denen er im Kletter- und Boulderzentrum München-Süd große Instandsetzungen plant. Danach soll die jetzige Freianlage - sie besteht aus Kletterwänden und eben den "Der Schrein" genannten Boulderwänden - einer zweigeschossigen Halle mit Klettermöglichkeiten an der Außenwand weichen. Die Hauptversammlung des Trägervereins DAV hatte den Neubau Ende Juni einstimmig beschlossen.
Unter Boulderern kommt der Plan, für die Halle notfalls den derzeitigen Außenbereich aufzugeben, nicht überall gut an. Rund 380 Boulder-Fans fordern in einer laufenden Online-Petition den Vorstand des DAV-Kletterzentrums auf, den "Schrein" zu erhalten. Karin Nobs, eine der Initiatoren der Online-Petition, hofft, dass die Stadt sich gegen das Hallen-Projekt ausspricht, zumal das Kletterzentrum Teil der Bezirkssportanlage ist. Auch sei der DAV kein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Unternehmen, sondern ein Verein, heißt es in der Online-Petition "Rettet das Boulder-Paradies Der Schrein im Freien von München Thalkirchen". Sinn städtischer Kletteranlagen sei, allen Mitgliedern gerecht zu werden. "Das heißt, ein gutes Training für das Klettern im Gebirge anzubieten und nicht nur dem Trend zum Indoor-Klettern oder -Bouldern zu folgen."
Im Sendlinger Bezirksausschuss (BA), wo die Initiative ihr Anliegen vortrug, sprach Karin Nobs von einer "Oase in der Stadt", von einem einzigartigen Freiraum, der schon ein paar Jahrzehnte alt sei, aber wunderbar funktioniere, vor allem für Familien. Es gebe sonst nirgends eine Boulderwand im Freien, die so vielseitig und einmalig sei. Boulderhallen dagegen schössen zurzeit wie Pilze aus dem Boden, vielleicht seien sie schon in wenigen Jahren nicht mehr im Trend.
Der ebenfalls anwesende Vorsitzende des Trägervereins DAV, Andreas Roth, unterstrich im BA seine Sympathie für die Freianlage, er sei dort als Jugendlicher sozialisiert worden, sagte er. Auch sei sich der Alpenverein der historischen Bedeutung bewusst. Doch wirtschaftliche Aspekte und Nutzerinteressen sprächen für eine neue Halle. Die große Mehrheit tummele sich mittlerweile an den modernen Kletter- und Boulderwänden der beiden später hinzugekommenen Hallen.
Im BA wurde eine große Diskussion vorerst vermieden. Dort liegen auch die Ausbaupläne noch nicht vor. Vorsitzender Markus Lutz (SPD) wies darauf hin, dass der BA sich erst damit befasse, nachdem die städtischen Referate sich der Sache angenommen haben.
Zumindest die CSU im BA hat sich schon klar positioniert. Sie will die DAV-Pläne nicht unterstützen, jedenfalls keine weitere große Baumaßnahme. Denn die Kletterer haben schon in den vergangenen Jahren zugebaut. CSU-Fraktionssprecher Thomas Kaiser erinnerte an immer wiederkehrende Diskussionen über zu viel Verkehr auf der Thalkirchner Straße und überfüllte Parkplätze. Vor allem aber liege das Gelände in einer städtischen Frischluftschneise. Deshalb dürfe man diese Stelle eigentlich gar nicht bebauen.
Auch die Grünen sind skeptisch. Anja Berger deutete Widerstand gegen eine weitere Verkleinerung der Bezirkssportanlage für andere Sportarten an, sofern dies vorgesehen sei. Sie bezweifelte auch die Notwendigkeit einer noch stärkeren Nutzung der Kletteranlage. "Da ist so ein Run darauf, dass der DAV da Verluste macht, kann ich mir nicht vorstellen." Auf die Parkplatzsituation kam auch die SPD, die sich ansonsten zurückhielt, kurz zu sprechen. Bald werde an der Thalkirchner Straße das Parkraummanagement eingeführt, sagte Markus Lutz. "Dann wird der Druck für das Kletterzentrum eher noch höher."
Obwohl das Kletterzentrum nahe dem Heizkraftwerk Süd laut DAV als das größte weltweit gilt, wird es dort an Abenden und am Wochenende oft so eng, dass die Seilschaften an den Routen anstehen. Die Freianlage soll dagegen nicht mehr so viel genutzt werden, Kletterer vermissen dort seit einigen Jahren die früher üblichen Pflegemaßnahmen mit Sandstrahlern, auch muss man die Karabiner selbst mitbringen. Die im Jahr 1989 errichteten Wände aus Beton - sie sollen erstmals Klettern in der Stadt möglich gemacht haben - wirken im Vergleich zu heutigen Wänden noch wie "handgemacht", mit einer rauen Oberfläche und Griffen und Tritten, die eigens gegossen wurden und nicht, wie heute üblich, mit industriell vorgefertigten Plastikelementen. Die Quergänge für Boulderer in der Freianlage gelten als anspruchsvoll, zumal sie als Überhang gestaltet sind. Der Alpenverein habe eine Versetzung des "Schreins" prüfen lassen, rechtfertigt der Vorstand auf der Internetseite des Kletter- und Boulderzentrums den geplanten Abriss. Angesichts sechsstelliger Kosten sei das aber "voraussichtlich nicht möglich".