Sendling:Die Wüste wird leben

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Nach 15 Jahren Ödnis wird die Brache am Herzog-Ernst-Platz endlich bebaut. Der Siegerentwurf setzt auf eine Kombination, die Wohnen, Arbeiten und Infrastruktur verbinden soll

Von Birgit Lotze, Sendling

Seit 2002 liegt ein 20 000-Quadratmeter-Grundstück im Sendlinger Norden brach. Das seinerzeit dort angesiedelte städtische Bauzentrum musste umziehen; nun findet sich das "Kompetenz-, Beratungs- und Veranstaltungszentrum der Stadt München zum energieeffizienten Wohnen, Bauen und Sanieren" in der Messestadt Riem. Nach dem Umzug verwandelte sich das Gelände in Sendling nach und nach in eine Kiesfläche - die Sendlinger Wüste. "Das tortenstückförmige Gebiet am Herzog-Ernst-Platz", so umreißt es ein Vertreter der Wohnungsgesellschaft GWG, soll nun auf 10 000 Quadratmetern bebaut werden; realisiert wird ein Projekt, das "Wohnen, Arbeiten und Leben verbindet". Die Planer des Münchner Architekturbüros Steidle, Sieger des Wettbewerbes, setzen auf eine durchgängige Blockrandbebauung mit fünf bis sechs Geschossen und einen erhöhten Kopfbau mit acht Stockwerken an der Pfeuferstraße.

Derzeit gibt es lediglich fensterlose Modelle, die kaum erkennen lassen, dass sich die Gebäude am Herzog-Ernst-Platz an die Moll-Blöcke auf der Schwanthalerhöhe anlehnen sollen - denkmalgeschützte Bauten aus den Zwanzigerjahren, etwas nördlich vom Herzog-Ernst-Platz an der Ganghofer-, Angler- und Geroltstraße. Die Steidle-Architekten haben sich gegen elf weitere Bewerber, unter anderem aus Kopenhagen, London und Wien, durchgesetzt. Der Hauptgrund dafür, so GWG-Geschäftsführerin Gerda Peter: Der Siegerentwurf setzt die Kombination aus den vielen geplanten Nutzungsformen am besten um.

Und eben das war für die Planer die größte Herausforderung. Eine bunte Mischung, acht bis neun unterschiedliche Nutzergruppen, galt es laut Ausschreibung unterzubringen - Mietwohnungen für Auszubildende und städtische Beamte, ein unabhängiges Boardinghaus, Räume für die Aidshilfe und für in Not geratene Frauen. Obendrein Verwaltungsräume, einen Kindergarten, Supermarkt, Restaurant, Café, Tiefgarage und eine Carsharing-Station mit Lademöglichkeit. Man habe mit all diesen unterschiedlichen Nutzungen Erfahrungen, betont Johann Spengler, einer der geschäftsführenden Steidle-Gesellschafter: "Aber so kompakt in einem Block kombiniert - nebeneinander, übereinander -, das war noch nicht dabei."

Neues Leben: Aus der Sendlinger Wüste soll ein urban gemischtes Wohnquartier mit Gewerbe und vielen sozialen Einrichtungen werden. (Foto: Robert Haas)

Das Büro Steidle hatte bereits vor zwanzig Jahren den Städtebauwettbewerb für die gesamte Theresienhöhe gewonnen, als klar war, dass die Messe nach Riem abwandert. Das KPMG-Haus und den Wohnturm am Georg-Freundorfer-Platz im Norden der Theresienhöhe hat das Büro realisiert, es war an zwei Bürohäusern beteiligt und hat für die GWG auf dem Bahndeckel in Sendling gebaut. Jetzt freut man sich, auch bei der Bebauung des Südens - "das letzte Stück" - dabei zu sein.

Besonders dicht soll die Brache nicht bebaut werden, sagt Spengler; man folgt dem Bebauungsplan, der vor rund 15 Jahren aufgestellt wurde. 167 Wohnungen werden voraussichtlich entstehen, Raum für Haushalte verschiedener Einkommensstufen; das Boardinghaus wird möblierte Apartments für kurz- und mittelfristige Aufenthalte anbieten. Es soll in dem Turm an der Pfeuferstraße und in einem Großteil des Blocks an der verkehrsbedingt eher lauten Radlkoferstraße unterkommen. Der achtgeschossige Turm soll Pendant zum vorhandenen hohen Bau im Südosten des Herzog-Ernst-Platzes werden. Damit werde auch der Platzcharakter gestärkt, so Architekt Spengler. Wege in den Innenhof sind an der Johannes-Timm- und an der Radlkoferstraße geplant.

Auch für die GWG stellt das Projekt eine Herausforderung dar. Derzeit bewirtschaftet das Unternehmen 28 000 Wohnungen in München und einige Gewerbeeinheiten, aber keine Boardinghäuser. Doch ein reines Wohngebiet darf an der Ecke baurechtlich nicht entstehen, mehr als die Hälfte muss gewerblich genutzt werden. Auch deshalb galt das Tortenstück als eher problematisch - es fand sich über Jahre trotz der allgemein raren Bauflächen in München kein privater Bauinvestor.

Mit diesem Entwurf setzte sich das Architektenbrüo Steidle gegen elf Mitbewerber durch. (Foto: Steidle Architekten (Entwurf)/oh)

Die Anwohner beschwerten sich schon länger über die Untätigkeit an der Brache, über Lärm, Dreck und Zug. Auf Drängen des Bezirksausschusses (BA) Sendling, der unbedingt günstigen Wohnraum möglich machen wollte, fand man schließlich über das Konstrukt mit dem Boardinghaus einen Weg, die städtische Wohnungsgesellschaft konnte das Projekt übernehmen. Dementsprechend glücklich sind die Lokalpolitiker über die Pläne. Man freue sich, dass die eigenen Wünsche berücksichtigt worden seien, sagte dessen Vorsitzender Markus Lutz (SPD). Und: "Dass der leere Raum nun mit Leben gefüllt wird."

Die Architektenentwürfe können von Dienstag, 9. Mai, bis Freitag, 19. Mai, werktags von 8 bis 18 Uhr im Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Blumenstraße 28 b, eingesehen werden.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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