Sendling:Der Mut, Grenzen zu öffnen

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Peter Kocher und Andrea Borger verabschieden sich nach zwölf Jahren aus der evangelischen Himmelfahrtskirche

Von Johannes Korsche, Sendling

Gleich zwei Pfarrer der evangelischen Himmelfahrtskirche in Sendling verlassen die Gemeinde innerhalb von vier Wochen. Nach etwa zwölf Jahren in Sendling hat es die inzwischen ehemalige Pfarramtsleiterin Andrea Borger nach Gauting gezogen, ihr Kollege Peter Kocher wechselt in die Maxvorstadt. Übergangsweise kümmern sich die zwei verbliebenen Pfarrer gemeinsam mit Seelsorgern aus den Nachbargemeinden um das Gemeindeleben. Man habe dafür einen Vertretungsplan erarbeitet, teilt das Pfarramt der Himmelfahrtskirche mit. Als Team werde man die Gemeinde trotz der derzeit unbesetzten Stellen "mit guten Absprachen am Laufen" halten. Anfang des kommenden Jahres sollen die beiden Stellen wieder neu besetzt sein.

Andrea Borger verlässt die Himmelfahrtskirche. (Foto: privat)

Peter Kochers Abschied aus der Himmelfahrtsgemeinde sei nach knapp zwölf Jahre "relativ normal", sagt er. Er kümmerte sich unter anderem um die Besuchsdienste bei älteren Gläubigen, die aus körperlichen Gründen nicht mehr in den Gottesdienst kommen können. Auch in seiner neuen Stelle in der Maxvorstadt wird die Seelsorge eine große Rolle spielen. Ein erfüllter Wunsch, denn aus der Begegnung mit Menschen ziehe er am meisten Energie. "Deswegen bin ich Pfarrer geworden", sagt er. Aus seiner Zeit in Sendling wird er vor allem die Gottesdienste an Heiligabend in Erinnerung behalten, die er in den vergangenen Jahren immer gefeiert hat. Er habe eine besondere Atmosphäre schaffen wollen, schließlich ist es ja für viele der einzige Anlass im Jahr, einen Gottesdienst zu besuchen. "Nur bei Kerzenschein" predigte er an diesem Abend. Als Blindenseelsorger bleibt Kocher zumindest mit einer sogenannten Viertelstelle in der Himmelfahrtsgemeinde präsent.

Nach 12 Jahren an der Himmelfahrtskirche in Sendling wechselt der evangelische Pfarrer Peter Kocher in die Maxvorstadt. (Foto: Heidi Mayer)

Anfang Juli bereits ist Andrea Borger als Jugendpfarrerin nach Gauting gewechselt, nachdem sie gut zwölf Jahre das Pfarramt in Sendling geleitet hatte. Zwar sei ein Wechsel sowohl für die Gemeinde als auch für sie persönlich "belebend", sagt die 57-Jährige, doch der Abschied aus Sendling ist ihr "nicht leicht gefallen". Während ihrer Zeit in "diesem tollen Viertel" setzte sie einen Schwerpunkt auf den interreligiösen Dialog. In den vergangenen Jahren prägte dementsprechend vor allem das Thema Kirchenasyl das Bild der Gemeinde nach außen. "Es werden wohl so um die 16 Personen gewesen sein", die auf dem Gemeindegrund und teilweise in ihrer eigenen Wohnung unterkamen, um eine Abschiebung ins Herkunfts- oder ins europäische Ankunftsland zu verhindern, erinnert sich Borger. Für sie ist dieses Engagement eine direkte Folge ihres Glaubensverständnisses. So müsse man die Bibel ernst, wenngleich nicht wörtlich nehmen. "Diese Worte geben mir Vertrauen ins Leben, sie nehmen Lebensangst." Und geben ihr den Mut, "dass man Grenzen öffnen kann". Der zentrale Satz der Bibel sei für sie: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Wer das ernst nehme, könne niemandem Hilfe vorenthalten, wenn er sie denn leisten könne. Und unsere Gesellschaft könne das: "Für uns reicht es noch gut, auch wenn wir etwas abgeben", sagt Borger. Außerdem sei die Gastfreundschaft etwas, was alle Religionen miteinander verbinde.

Am Sonntag, 22. Juli, feiert Peter Kocher von 10 Uhr an seinen Abschiedsgottesdienst in der Himmelfahrtskirche, Kidlerstraße 15.

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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