Sendling:Bürger sollen beteiligt werden

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Mitsprache bei Erinnerungszeichen für NS-Opfer angemahnt

Von Birgit Lotze, Sendling

Sendlinger Stadtteilpolitiker kritisieren, dass Viertelbewohner beim Aufstellen von Erinnerungszeichen an Münchner Opfer der Nazi-Diktatur nicht einbezogen werden. Es sei zwar sehr verdienstvoll, wenn die Stadt diese Erinnerungsorte einrichte, allerdings nicht verdienstvoll, wenn dies "komplett am Bezirksausschuss vorbei" geschehe, beschwerte sich SPD-Fraktionssprecher Ernst Dill im Bezirksausschuss (BA) am Montagabend. Schließlich gebe es im Viertel eine sehr lebendige Erinnerungskultur, die das Kulturreferat somit ungenutzt lasse. "Des is a Schand."

Selbst direkte Anwohner hätten nicht Bescheid gewusst, als das Stadtarchiv kürzlich ein Denkmal an der Daiserstraße 45 für Ludwig Holleis aufstellte, berichtete BA-Vorsitzender Markus Lutz (SPD). Es seien einige Flugblätter zu Holleis Geschichte verteilt worden - zu wenig, findet Lutz. Er will das Kulturreferat auffordern, die Flyer an sämtliche Haushalte in der Umgebung zu verteilen. Es sei deutlich geworden, dass viele Bürger gar nicht wüssten, wofür das dezentrale Denkmal stehe. Auch könnten sehschwächere Bürger die Kurz-Porträts der Ermordeten nur schwer lesen.

Statt Stolpersteine zu verlegen, will die Stadt dezentral und individuell an die Ermordeten an deren Wohnorten mit Stelen und Tafeln erinnern: An die Opfer soll nicht als Einträge in einer Liste erinnert werden, sondern als jeweils einzigartige Menschen. Die Tafeln und Stelen sollen dasselbe leisten wie die Stolpersteine, anders als diese aber nicht im Straßenbelag, wo Passanten möglicherweise auf den Namen der Opfer herumtrampeln könnten, wie Stolperstein-Gegner geklagt hatten, sondern auf Augenhöhe. Das Erinnerungszeichen für Ludwig Holleis, der von der Gestapo gefoltert wurde und daran starb, wurde am letzten Freitag im Juli eröffnet - eines der ersten, die die Stadt aufgestellt hat. Etwa 40 Anträge liegen bei der Koordinierungsstelle im Stadtarchiv derzeit vor. Die Stadt hat 150 000 Euro Fördergeld dafür bereitgestellt.

© SZ vom 08.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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