Sendling:Angst vor dem Provisorium

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Zwei Jahre Bauzeit, fünf Jahre Nutzung: Das Kulturzentrum würde das Viertel verändern, glauben die Mieter, aber auch viele Lokalpolitiker. (Foto: Stephan Rumpf)

Sendlings Lokalpolitiker wollen sich zum möglichen Umzug des Gasteigs auf das Stadtwerke-Gelände noch nicht äußern

Von Birgit Lotze, Sendling

Vorerst können sich die Künstler und Handwerker, die um ihre Ateliers, Bühnen, Büros und Werkstätten auf dem Gelände der Stadtwerke südlich der Brudermühlbrücke bangen, nicht auf eine grundsätzliche Unterstützung durch die Stadtteilpolitiker berufen. Noch sei nicht einmal klar, ob das Areal überhaupt als Ausweichquartier für den Gasteig geeignet sei, sagte der Vorsitzende des Sendlinger Bezirksausschusses (BA), Markus Lutz (SPD), in der jüngsten Sitzung. Die Machbarkeitsstudie liege dem BA erst im September vor. Der Ausschuss diskutiere nicht darüber, ohne dass überhaupt etwas gesichert sei, zumal auch in der Messestadt Riem ein Standort geprüft werde. Es könne sein, dass nach der Studie das Thema längst vom Tisch sei. Schließlich habe es bereits andere Interessenten für das Stadtwerke-Gelände gegeben, die sich wieder hätten zurückziehen müssen - schon deshalb, weil der Boden bis zu einer Tiefe von sechs Metern kontaminiert sein solle.

Seit Gasteig-Chef Max Wagner und Bürgermeister Josef Schmid (CSU) angekündigt haben, das Areal an der Hans-Preißinger-/Ecke Schäftlarnstraße als Ausweichquartier nutzen zu wollen, wenn das Kulturzentrum saniert wird, sind die jetzigen Mieter in Aufruhr. Zöge der Gasteig dort ein, müssten sich 70 Hauptmieter - insgesamt arbeiten dort etwa 300 bis 400 Kreative - neue Räume suchen. Einige der Mieter, teils arbeiten sie bereits seit 18 Jahren auf dem Stadtwerke-Gelände, versuchten die Mitglieder des Bezirksausschusses in der Sitzung zu einem klaren Bekenntnis für die bislang gewachsene Kultur auf dem Areal zu bewegen. "Was wollen Sie für Nachbarn haben? Was wollen Sie für einen Geist hier haben?" Und darüber hinaus: Zwei Jahre Bauarbeiten, fünf Jahre Gasteig-Gastspiel - das gehe an Sendling schließlich nicht einfach so vorüber, argumentierten sie. Selbst die umgebende Gastronomie werde sich mit dem Einzug der Philharmonie ändern, prognostizierte Fotograf Mirco Taliercio, der seit 14 Jahren ein Fotostudio auf dem Stadtwerke-Gelände betreibt. "Da geht man bestimmt nicht zum Prosecco-Trinken in Radi's Schnitzelhaus."

Es gab spontan Unterstützung im Bezirksausschuss. Jan Erdmann (Grüne) sprach die Befürchtung aus, Sendling könne sich mit der Gasteig-Hochkultur von einem urbanen Stadtteil in ein Schickimicki-Viertel verwandeln. Margot Fürst (CSU) sagte, "unsere Leute rauszuschieben und den Gasteig reinzuschieben - das geht gar nicht". Der Gremiumsvorsitzende Markus Lutz wurde kritisiert: Er habe sich in einem Zeitungsartikel begeistert über die Idee geäußert, den Gasteig für einige Jahre in Sendling anzusiedeln. Lutz sagte, es sei lediglich ein Satz zitiert, die geäußerten Einschränkungen und Voraussetzungen seien nicht veröffentlicht worden.

SPD-Fraktionssprecher Ernst Dill wies in der Sitzung die Mieter darauf hin, es sei seit 2015 klar gewesen, dass man das Gelände nur zwischennutzen könne. Er erinnerte auch daran, dass die Stadtwerke München damals sogar beabsichtigt hätten, das Areal an einen Investor zu verkaufen, was der BA verhindern wollte. Der BA habe sich daraufhin für günstigen städtischen Wohnungsbau auf dem Gelände ausgesprochen. Im damaligen Beschluss sei außerdem auch festgeschrieben worden, dass man den dort schaffenden Künstlern Ersatz auf den frei werdenden Großmarktflächen anbieten wolle.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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