Schwanthalerhöhe:Um den Schlaf gebracht

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Seltene Ruhe: Am Parklet der Parkstraße 18 wurde es erst gegen Ende des Pilotprojekts stiller. (Foto: Schlaier/oh)

Das Pilotprojekt "Sommerstraßen" im Westend hat an einigen Brennpunkten die Anwohner zur Weißglut gebracht. Sie klagen über die nächtliche Ruhestörung und fordern mehr Rücksicht bei der Planung

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Zumindest was die Straßenmöblierung angeht, ändern sich an diesem Donnerstag die Jahreszeiten auf der Schwanthalerhöhe. Mit dem Abbau der sogenannten hölzernen Parklets endet das Pilotprojekt "Sommerstraßen", mit dem die Stadt und der Verein Green City für drei Monate unter anderem im Westend an der Stelle von acht Parkplätzen den Raum für die Nachbarn erweitert haben: mal zur Radabstellfläche, mal zum urbanen Gartenbeet oder zur stylishen Verweiloase mit Sitzgelegenheit. Der Versuch hat vieles gezeigt: Was den einen zur lauschigen neuen Begegnungsfläche geraten ist, bringt die Nachbarn eine Häuserecke weiter um den Schlaf.

Vor allem aber hat das Pilotprojekt ein ganz anderes Problem im beliebten Ausgehviertel offenbart: An der Kreuzung Parkstraße/Schwanthalerstraße versammeln sich an lauen Sommerabenden Trauben von Menschen mit Getränk in der Hand beim Plausch auf der Straße vor den Kneipen - und rauben den Anwohnern die Ruhe. Darüber haben diese gerade wieder Klage geführt bei der Sitzung des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe.

"Ich hoffe, wenn die Parklets nächstes Jahr wieder aufgebaut werden, dass man sich die Plätze dann mit mehr Umsicht aussucht." Der vor ihrem Fenster an der Parkstraße 18 schien einer Anwohnerin jedenfalls der falsche Ort gewesen zu sein. Unter Palmen konnte sich dort niederlassen, wer wollte, offiziell bis 22 Uhr. Doch was ein echtes Feierbiest ist, das lagert mit trinkfesten Freunden auch nach Mitternacht an Tisch und Bank am Straßenrand. Nach Intervention der eingeschalteten städtischen Konfliktmanager von Akim wurde dieses Parklet um 22 Uhr zum Gehsteig hin mit Lkw-Planen verschlossen, die morgens wieder hochgezogen wurden. "Das", sagt die Schlaflose, "hat die Situation wesentlich verbessert." An der Tulbeckstraße um die Ecke habe das Konzept hingegen gut funktioniert. "Es ist stark davon abhängig, welche Kneipen drumherum sind."

Sieht David Recher auch so. Der 37-Jährige wohnt mit seiner Freundin direkt über dem Café Marais, Parkstraße 2. Unter seinen Wohnungsfenstern stehen auch Parklets, allerdings ohne Sitzmöglichkeiten, und die seien bei ihm nicht Auslöser für die Lärmproblematik. "Wir haben nachts teilweise 200 Leute vor der Tür." Die tummelten sich auf den Freischankflächen der umliegenden Kneipen, beim "Schwarzen Dackel" vor allem. Zudem das Straßen-Publikum, das sich aus den umliegenden drei Spätis fast rund um die Uhr ein Bier kaufen könne. "Wir schlafen nur mit Lärmschutz." Er klemme allabendlich ein Brett, das er mit Schaumstoff verstärkt hat, in den Fensterrahmen. "Der Sohn unserer Nachbarin schläft in der Küche, weil es da leiser ist." Das Feiervolk der ganzen Stadt bewege sich längst raus ins Westend. Die Stimmung werde aggressiver.

Im Bezirksausschuss hat die kritische Bestandsaufnahme längst eingesetzt. "Ich hab' von Anfang an meine Bedenken geäußert, dass man das Pilotprojekt deutlich sensibler angehen muss", konstatierte Thomas Hofstätter (CSU). Holger Henkel (SPD) empfahl, bei Lärmbelästigung die Polizei zu rufen. Florian Kraus (Grüne) wollte nichts wissen davon, dass das Viertel "ein Hotspot für Möchtegern-Hipster aus ganz München ist" und riet, die unterschiedlichen "Nutzergruppen auch unterschiedlich zu betrachten". Fraktionskollegin Sarah Seeßlen fing gleich an: "Die Räume werden immer kleiner und teurer, deshalb verlagert sich für jemanden mit kleiner Wohnung das gesellschaftliche Leben nach draußen." Mit billigem Bier vom Späti könne er auch daran teilnehmen.

Im weiteren "und sicher auch anstrengenden Gespräch" mit Akim sollten Lösungen gefunden werden, schlussfolgerte BA-Chefin Sibylle Stöhr (Grüne). Eine gründliche Nachlese der "Sommerstraßen" schlug Ulrike Boesser (SPD) dem Gremium für November vor. "Heuer war die Umsetzung einfach sehr knapp."In den nächsten Jahren können die Anwohner eigenverantwortlich in ihrem Viertel "Parklets" einrichten (Antrag unter Angabe des gewünschten Standorts an ba8@muenchen.de), die Stadtverwaltung erarbeitet derzeit ein entsprechendes Regelwerk. "Sensible Abstimmung" soll dabei auch auf der Schwanthalerhöhe höchste Priorität haben, so die Ansage für die Zukunft.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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