Schwanthalerhöhe:"Mafiöse Methoden"

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Unterwerfungserklärung und 48 000 Euro Mietnachzahlung: Stephan Eggerdinger, Chef des Verlages "Das Freie Buch", soll für ein weiteres Jahr im Haus mit der roten Fahne einen hohen Preis zahlen. Die Empörung ist enorm

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Geht es nach dem Münchner Stadtrat, hat es sich Ende des Jahres ausgeflattert im Haus mit der roten Fahne. Das purpurne Stück Stoff, das seit knapp 40 Jahren über dem Innenhof an der Tulbeckstraße 4f im Wind tanzt, wird eingeholt. Denn dann muss der Mieter der städtischen Immobilie nach vier Jahrzehnten samt seinem Wahrzeichen auf dem Dach die Sachen packen. Der linke Verlag "Das Freie Buch", die angegliederte Druckerei und die ansässigen Vereine, darunter der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD und August-Kühn-Verein, werden vor die Tür gesetzt, damit in der kleinen Hinterhof-Nische Wohnraum geschaffen werden kann. Der Stadtrat hat das in einer nichtöffentlichen Sitzung kurz vor Weihnachten beschlossen. Die Wellen im Viertel, das die "roten" Leute unterstützt, schlagen hoch. Die CSU im Bezirksausschuss wirft der Stadt gar "mafiöse Methoden" beim Umgang mit den Mietern vor.

Die saftige Kritik speist sich aus dem Unmut über die "Intransparenz" von Verwaltung und politischem Apparat, mit der diese die Kündigung vorantreiben. Der Verlag hätte bereits Ende 2016 ausziehen sollen. Es regte sich heftiger Protest sowohl des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe als auch von inzwischen 2000 Unterstützern einer Petitionsschrift, die das Haus mit der roten Fahne als kulturelles Zentrum der Arbeiterbewegung an der Schwanthalerhöhe behalten wollen. Sie fordern, wie auch ein gemeinschaftlicher Stadtratsantrag von Grünen/Rosa Liste und Linke, dass der Mieter und Verlagschef Stephan Eggerdinger das Haus entweder kaufen oder alternativ als Mieter in einem "langfristig geschützten" Verhältnis nutzen kann.

Doch einen geeigneten Ansprechpartner für weitere Verhandlungen fanden bislang weder Unterstützer noch der Verlags-Chef. Verwalter ist die städtische Wohnungsgesellschaft GWG, Eigentümerin die Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS). Am 14. Dezember entschied dann der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung, dass Eggerdinger noch ein weiteres Jahr bleiben darf. Die GWG informierte ihn darüber in einem Brief, der am 21. Dezember bei ihm ankam. Mit einem brisanten Zusatz: Zwei Tage gab man ihm Zeit, eine sogenannte notarielle Unterwerfung zu unterschreiben, wenn er weitere zwölf Monate bleiben wolle. Danach müsse er definitiv raus und dürfe keinerlei weitere Verlängerung fordern. "Wir sind eine GmbH, ich müsste für eine Entscheidung erst die Gesellschafter einberufen. Das geht in zwei Tagen gar nicht", kritisiert Eggerdinger.

Ebenfalls am 21. Dezember erreichte Petitionsunterstützer ein Schreiben, in dem das Planungsreferat mitteilt, man bereite dazu gerade eine Vorlage für den Stadtrat im ersten Halbjahr 2017 vor. Kurz darauf flattert Eggerdinger der nächste Brief auf seinen Tisch, diesmal von der MGS: Mietnachzahlungen von gut 48 000 Euro werden gefordert, die sich auf eine nie angewandte Uralt-Mietklausel des Voreigentümers beziehen. "Wir halten die Nachforderungen für ungerechtfertigt, zumal die MGS seit 19 Jahren die Miete immer selbst eingezogen hat." Der gelernte Volkswirt hält dies für einen Einschüchterungsversuch. Der Widerspruch liegt bei Gericht. Die GWG will sich generell nicht äußern. Man sei nicht befugt, Daten aus nichtöffentlichen Stadtratsbeschlüssen öffentlich zu machen, heißt es.

Druckerei-Mitarbeiter Julian Mühlbauer hatte die verfahrene Situation am Dienstagabend im Bezirksausschuss referiert. "Es ist nicht nur eine Sauerei, wie mit euch umgegangen wird. Wir erwarten auch, vollumfänglich und zeitnah informiert zu werden", entfuhr es SPD-Fraktionschef Willi Mundigl. "Der Verein wird schlicht erpresst", urteilte Sarah Seeßlen (Grüne). Parteikollege Daniel Günthör schlug einen öffentlichen Termin mit allen Beteiligten inklusive GWG-Geschäftsführung vor; so könne die notwendige Transparenz hergestellt werden. Und Sibylle Stöhr (Grüne), die Gremiumschefin, versicherte: "Ihr habt nach wie vor unsere einstimmige Unterstützung!"

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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