Schwanthalerhöhe:Demokratie, ein Kinderspiel

Lesezeit: 3 min

Der Nachwuchs erklärt beim Münchner Kinder-und Jugendforum, wie er sich sein Stadtviertel vorstellt. Saubere Spielplätze und eine große Wasserrutsche stehen ganz oben auf der Wunschliste

Von Jana Heigl, Schwanthalerhöhe

Aufgeregt wuseln mehr als 100 Kinder in der Aula der Carl-von-Linde-Realschule herum. Zwar gehen die meisten hier nicht zur Schule, aber sie bekommen an diesem Nachmittag die Chance, beim Kinder- und Jugendrat des Münchner Kinder-und Jugendforums mitzumachen und mit ihren Ideen ihr Stadtviertel, das Westend, kinderfreundlicher zu gestalten.

Um ihren Antrag zu stellen, müssen sie ihn zuerst anmelden. Mehr als ein Dutzend Kinder stürzen kurz vor Beginn der Veranstaltung noch an den großen Tisch, um ihre Anträge auf die Tagesordnung zu setzen. Dieses Jahr sind besonders viele Kinder dabei. "Wir freuen uns, dass wirklich alle aktiv waren, die mit Kindern und Jugendlichen im Westend zu tun haben", sagt Sybille Brendelberger vom Münchner Kinder- und Jugendforum.

Zur Vorbereitung hat die Stadt München einen Kinder-Aktions-Koffer in die Einrichtungen geschickt. Er enthält zum Beispiel einen Fotoapparat und ein Aufnahmegerät. Die Kinder nutzen beides, um am Gollierplatz mit Passanten Interviews zu führen: was die von der Idee halten, auf dem Spielplatz Tore aufzustellen, an denen auch ein Basketballkorb befestigt ist. Eine andere Gruppe fotografiert Glasscherben auf dem Sportplatz an der Westendstraße 66 a. Wieder andere haben ein Theaterstück einstudiert, um auf illegale Graffiti im Viertel hinzuweisen.

Die Aktion wird vom Büro der Kinderbeauftragten angestoßen. In Zusammenarbeit mit dem Bezirksausschuss, dessen Mitglieder als Paten für die Projekte der Kinder fungieren, versuchen sie, die Projekte in die Tat umzusetzen. Auch die Stadt München und das Netzwerk für soziale Arbeit "Regsam" haben Vertreter geschickt, die als sich als Paten engagieren.

In großen Plastiktüten schleppen die Kinder ihre Poster und Modelle in den Saal und bereiten sich auf die Präsentation vor. Manche von ihnen sind ein bisschen aufgeregt. Was die Kinder am meisten stört, sind Zigarettenstummel und vermüllte Spielplätze. "Ich finde es schade, dass an Spielplätzen geraucht wird", sagt ein Kind im Publikum. Der Pate Ulf Schröder (SPD) verspricht, sich die Situation mit den Kindern gemeinsam anzuschauen. Die Klasse 4 b der Grundschule an der Bergmannstraße hat einen Film über den Spielplatz am Gollierplatz gedreht, in dem sie die Probleme genau dokumentiert: Müll, Betrunkene und freilaufende Hunde stören sie beim Spielen. Viele Kinder im Publikum nicken zustimmend - auch sie kennen das.

Grundsätzlich sind sich die Kinder einig in ihrer Abstimmung. Als zwei Mädchen mithilfe eines Modells aus Pappe und Knete eine große Wasserrutsche für das Westend vorschlagen, gibt es auch einige Gegenstimmen und Enthaltungen. "Ich finde das ganz, ganz hervorragend, wie demokratisch es zugeht", sagt Sarah-Maria Seeßlen (Grüne) vom Bezirksausschuss.

Manchmal schauen die Vertreter der Stadt und des Bezirksausschusses ein bisschen zweifelnd, angesichts der Wünsche der Kinder, vor allem bei der Wasserrutsche, die bei allen Kindern großes Interesse ausgelöst hat. Dennoch nehmen sie sich der Projekte an und erklären den Kindern, was möglich ist und was nicht.

Das Wichtigste ist für Viola Bruskowski vom Büro der Kinderbeauftragten, dass die Anliegen der Kinder ernstgenommen werden. "Wenn die Paten ihre Möglichstes tun und die Kinder informieren, wenn es nicht klappt,dann können die Kinder gut damit umgehen", sagt Bruskowski.

Während der Abstimmung sind die Kleinen erstaunlich diszipliniert. Sie beteiligen sich eifrig mit Wortmeldungen. Trotzdem ist es für die beiden Neunjährigen Elias und Rocco von der Grundschule an der Bergmannstraße "ziemlich langweilig, die ganze Zeit herumzusitzen". Das Abstimmen über die Anträge gefällt ihnen aber.

Holger Henkel (SPD) vom Bezirksausschuss findet es interessant, all die Wünsche zu hören. "Die Kinder kommen eben nicht in die Ausschusssitzung", sagt er. Henkel hat selbst drei Kinder und freut sich, dass man das Viertel aus der Perspektive der Kinder neu kennenlernt.

Die Teilnehmer wollen mehr Spielmöglichkeiten für größere Kinder - zum Beispiel am Gollierplatz. Dabei müsse man aufpassen, dass man andere Kinder altersmäßig nicht ausschließe, sagt Henkel. Manche Spielplätze seien einfach für die ganz Kleinen gedacht.

Zum Schluss bleiben noch sechs Anträge übrig, für deren Bearbeitung die Zeit nicht mehr reicht. Aber die anderen wurden beschlossen und von Paten unterstützt. Die Kinder überreichen ihnen ein selbst gebasteltes Lesezeichen, damit sie sich auch noch im Urlaub an ihre Verpflichtung erinnern.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: