Schwabing:"Es darf keine Denkverbote geben"

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Abserviert: Die Leopoldstraße sei zur Kommerzmeile verkommen, beklagt die SPD. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der geplante Radschnellweg bietet nach Ansicht des Bezirksausschusses die Chance zu einer grundlegenden Neustrukturierung der Leopoldstraße. Zur Not würde man sogar die Pappel-Allee diesem Ziel opfern

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Für Schwabinger und Freimanner Politiker ist die einst als mondäne Vergnügungsmeile bekannte Leopoldstraße seit Jahren ein Quell des Missvergnügens. Sie verkomme immer mehr zu einer gesichtslosen Promenade, schimpfen sie seit langem, mit immer mehr Handyläden, Kettengeschäften, Sisha-Bars.

Doch nun sieht der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann die Gelegenheit gekommen, die Chaussee völlig neu zu konzipieren: Das Gremium fordert die Stadt per Antrag auf, im Zuge der Planungen für den Radschnellweg eine "Grundsatzstudie zur Neuprofilierung der Leopoldstraße" vom Siegestor bis zur Münchner Freiheit zu erstellen. Dabei sieht die BA-Mehrheit kein Problem darin, zur Not auch die Pappel-Allee zu opfern. "Es darf keine Denkverbote geben", sagte die Autorin des Antrags, Petra Piloty (SPD).

Der Stadtrat hatte im Juli die Weichen für einen durchgängigen Radschnellweg von der Altstadt über Ludwig- und Leopoldstraße zur nördlichen Stadtgrenze gestellt. Allerdings wurde über die Expressroute heftig gestritten. Vor allem die CSU stemmte sich, vergeblich allerdings, gegen den Wegfall von Hunderten Parkplätzen entlang der Trasse und kritisierte, dass womöglich Busse von einer grünen Welle für Radler ausgebremst würden.

Doch qua Mehrheitsbeschluss wird die Stadtverwaltung jetzt in die Planung einsteigen. Und dabei soll die Behörde nach Vorstellung des BA die Leopoldstraße "von Hauswand zu Hauswand" in den Blick nehmen, wie es Piloty ausdrückte. Im Antragstext formuliert sie es so: "Einfach nur Radwege zu Lasten des ruhenden Verkehrs breiter auszubauen, wird der Bedeutung dieser Straße nicht gerecht."

Als Begründung folgt die schon oft geführte Klage über das Erscheinungsbild der Leopoldstraße. Sie sei einmal ein beliebter Boulevard gewesen, im Laufe der Jahre aber zur "durchschnittlichen Kommerzmeile" verkommen. "Schrille Werbung, wild abgestellte Fahrzeuge, Stuhlgebirge und mehr oder weniger verhüllte Obstkarren bestimmen das Bild." Die Aufzählung findet sich auch in einer BA-Eingabe mit dem Titel "Lex Leo" vom Oktober dieses Jahres. Darin ergeht, ebenfalls auf Initiative der SPD, der Appell an die Stadt, die Sondernutzungsrichtlinien exklusiv für die Leopoldstraße anzupassen und Beschränkungen für bestimmte Warenauslagen zu erlassen. Die Leo soll demnach quasi entrümpelt werden.

Es war der Ruf nach strenger Regulierung, nun folgt die Forderung nach rigoroser Planung. "Die Installation eines Radschnellwegs bietet die Chance, den Straßenraum neu zu ordnen, die Nutzung des vorhandenen Raums neu zu verteilen", heißt es in dem Papier. Also über die Anzahl und die Breite von Fahrspuren ebenso nachzudenken wie über Platz für Flaneure und die Abstellmöglichkeiten für Räder, Roller, E-Scooter sowie Freischankflächen und Warenauslagen. Auch - und das ging den Grünen im Gremium etwas zu weit - die Baumgräben dürften "nicht sakrosankt sein". Soll heißen: Die hohen Pappeln dürfen fallen zugunsten eines Gesamtkonzepts. "Säulenpappeln wachsen sehr schnell, circa zwei Meter pro Jahr", so das Argument der SPD.

Das ging nicht ohne Widerspruch ab. Die Grünen wollten die Pappel-Allee per Antrag zunächst für "tabu" erklären. Sie sei ortsbildprägend, sagte ihre Fraktionssprecherin Barbara Epple, lenkte aber nach kurzer Debatte ein, in der Patric Wolf (CSU) bemerkte: Wer wie die Grünen einen Radschnellweg wolle, müsse auch Baumfällungen in Kauf nehmen. Man einigte sich darauf, der Stadt nahezulegen, die Pappeln "nach Möglichkeit" zu erhalten. Zudem soll die Verwaltung prüfen, ob die Lücken in der Allee zwischen Siegestor und Rheinstraße geschlossen, also Bäume nachgepflanzt werden können.

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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