Schwabing:Dunkle Wolken über der Frischluftoase

Lesezeit: 2 min

Pläne für eine Nachverdichtung im Hohenzollernkarree bringen den dichten Baumbestand im Innenhof in Gefahr

Von Ellen Draxel, Schwabing

Exakt ein Jahr ist es her, da demonstrierten Politiker aus Stadt, Land und Bund parteiübergreifend gemeinsam mit Vertretern von Naturschutzverbänden und Schwabinger Mietergemeinschaften in der Apianstraße gegen den "Nachverdichtungswahn" und die Vernichtung von Bäumen in Zeiten des Klimawandels. Im Fokus damals: vier Innenhöfe, die Neubauten weichen sollten. Auch das Hohenzollernkarree stand bei der Kundgebung seinerzeit im Mittelpunkt. Im Gegensatz zu anderen Grünflächen ist dieser Innenhof zwischen der Herzog-, Erich-Kästner-, Clemens- und Fallmerayerstraße bis heute nicht versiegelt. Noch nicht - denn eine Beschlussvorlage des Planungsreferats, die dem Planungsausschuss des Stadtrats am 15. September vorgelegt wurde, befürwortet eine Nachverdichtung in der preisgekrönten, 6200 Quadratmeter großen Frischluftoase mit dichtem Baumbestand.

Die Lokalbaukommission, heißt es in dem Papier, könne eine viergeschossige Bebauung im Blockinnern in Aussicht stellen, sofern von den 35 neu entstehenden Wohnungen 13 sozial gebunden seien. Etwa ein Viertel der vorhandenen Bäume, rund dreizehn Stück, müssten dann weichen, dafür seien mindestens neun neue Bäume zu pflanzen. Gefordert wird im Falle eines positiven Bescheids außerdem eine "intensive Begrünung" der neuen Dachfläche. Vor dem Hintergrund, dass der grüne Innenhof des Karrees im Vergleich zu den umliegenden, zum Teil dicht bebauten Höfen "einen regelrechten Ausnahme-Tatbestand" darstelle, und angesichts des dringenden Bedarfs an Wohnraum hält die Verwaltung die Innenhofbebauung "für grundsätzlich städtebaulich vertretbar".

Das aber sehen Westschwabings Lokalpolitiker ganz anders. "Gerade weil es immer dichter wird, brauchen wir doch freie Flächen", kritisiert Gesa Tiedemann (Grüne), die Vorsitzende des Bezirksausschusses. "Und da geht es gar nicht mehr um bezahlbaren Wohnraum, da geht es ums Prinzip." Dieses Bauvorhaben stehe "nicht im Einklang mit der gegenwärtigen Klimapolitik der Landeshauptstadt". Im Gegenteil: Der Preis für dieses Projekt sei "eine geringere Durchlüftung sowie eine verminderte Kühlungsfunktion an heißen Tagen, eine reduzierte Feuchtigkeitsaufnahme bei Starkregen und eine extrem ausgedünnte biologische Vielfalt" im am dichtesten besiedelten Stadtbezirk Münchens. Im Übrigen, erklären die Politiker, werde die Hoffnung der Verwaltung, mit der Schaffung von 35 neuen Wohneinheiten einer Verdrängung der Wohnbevölkerung im Erhaltungssatzungsgebiet entgegenzuwirken, "leider von der Realität konterkariert". Denn aufgrund immer neuer Planungen, Modernisierungen und Mieterhöhungen des Eigentümers, die zuletzt vor dem Bundesgerichtshof entschieden wurden, mussten bereits zwei Drittel der langjährigen Mieter ihre angestammten Wohnungen verlassen, weiß Rudi Knauss (Linke).

Ob ihre Stellungnahme noch etwas bewirkt? Die Stadtteilvertreter bezweifeln es. Trotzdem melden sie sich zu Wort. "Was wir letztlich brauchen", betont der Vorsitzende des Unterausschusses Bauen und Wohnen, Markus Meiler (CSU), "ist eine planungsrechtliche Handhabe. Deshalb müssen wir als Gremium aufstehen und den Stadtrat auffordern, die Grundlagen dafür zu schaffen". Der Planungsausschuss des Stadtrats hat das Planungsreferat bereits gebeten, Stellung zu der Beschlussvorlage zu nehmen. Und die Entscheidung deshalb vertagt.

© SZ vom 29.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: