Schlägerei am Wettersteinplatz:"Wir wollen keine Helden produzieren"

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Nach der Schlägerei im U-Bahnhof Wettersteinplatz: Der Polizist Arno Helfrich spricht über das richtige Verhalten bei Übergriffen.

Bernd Kastner

Es klingt merkwürdig: Da passiert etwas sehr Schlimmes, da wird ein Mensch brutal zusammengeschlagen, mal wieder in einem U-Bahnhof, und doch ist Erleichterung zu spüren. "Ich bin sehr zufrieden", sagt Arno Helfrich. Natürlich meint er nicht die drei Täter, die am Dienstagabend einen 39-jährigen Iraker am Wettersteinplatz verletzt haben. Der Chef des Kommissariats 105 der Münchner Polizei, das sich um Prävention und Opferschutz kümmert, meint jene Fahrgäste, die eingegriffen haben.

Tatort Wettersteinplatz: Hier wurde ein 39-jähriger Iraker verletzt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Das Richtige zu tun in so einem Moment, ist sehr schwierig"

Die Täter und Opfer getrennt, Hilfe gerufen und die Schläger festgehalten haben. Unter ihnen war ein Polizist, ein USK-Beamter, der zufällig privat unterwegs war. So ging die Schlägerei, deren Ursache nach wie vor ungeklärt ist, recht glimpflich aus. Und Helfrich wird von diesem Überfall künftig in seinen Kursen über Zivilcourage berichten als Beispiel dafür, wie es im Notfall laufen sollte.

"Das Richtige zu tun in so einem Moment, ist sehr schwierig", sagt Helfrich, "es ist eine Augenblicksentscheidung." Am Wettersteinplatz haben mehrere Passanten eingegriffen. Der erste trennte schon auf der Rolltreppe Opfer und Täter, später sprangen dann Fahrgäste aus dem Waggon, um dem Iraker auf dem Bahnsteig zu helfen. Der Polizist etwa hielt einen der Schläger in Schach, bis die Kollegen kamen. Noch suchen die Ermittler Zeugen, um den genauen Ablauf zu rekonstruieren (Telefon 2910-0).

Wichtig, vermutet Helfrich aus Erfahrung, sei in diesen Sekunden das psychologische Moment gewesen: Einer greift ein, andere fühlen sich ermutigt, es ihm gleich zu tun. "Einer allein wäre wohl überfordert." Also rät Arno Helfrich, was alle Experten immer wieder empfehlen, seit Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln mediales Dauerthema ist, seit den Tritten gegen einen Rentner am Arabellapark 2007 und dem Tod von Dominik Brunner: Sprechen Sie andere Passanten gezielt an! Suchen Sie sich Unterstützer!

Oft genüge es schon, den Notruf zu betätigen und dem Opfer zu signalisieren: Sie sind nicht allein, Hilfe ist unterwegs.

Sind Täter betrunken, seien sie oft schon zu beeindrucken, indem sich ein Passant aktiv an das Opfer wende. Dagegen sei es nicht generell ratsam, sich aktiv in eine Schlägerei einzumischen. Auch einen Täter direkt anzusprechen, könne gefährlich sein, er könnte sich provoziert fühlen und auf den Helfer auch noch losgehen. "Wir wollen keine Helden produzieren", sagt Helfrich. Im aktuellen Fall scheinen die Helfer mehr getan zu haben, als Experten raten: Sie haben sich offenbar aktiv eingemischt. So etwas könne sich innerhalb weniger Sekunden entwickeln, sagt Helfrich. "In dieser Situation war's die richtige Entscheidung." Vielleicht aber nur deshalb, weil mit dem USK-Mann ein Profi dabei war.

Mit jedem dieser Überfälle, da macht sich Helfrich nichts vor, wird das mulmige Gefühl von Passagieren in U- und S-Bahnen zunehmen. Der Kommissariatsleiter kann immer nur auf die Zahlen verweisen, die diesem subjektiven Gefühl widersprechen: 2009 seien 351 Millionen Fahrgäste mit der U-Bahn gefahren - von ihnen seien 119 Opfer von Gewaltdelikten geworden.

© SZ vom 05.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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