Schießen:Tokio im Visier

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Barbara Engleder ist omnipräsent beim Internationalen Wettkampf der Sportschützen in Garching-Hochbrück. Zugleich hat eine neue Generation um Maximilian Dallinger und Selina Gschwandtner die Olympiasiegerin abgelöst

Von Christopher Meltzer, Garching

Die Frau auf dem Plakat grinste. Eine rote Schirmmütze bedeckte ihren Kopf, darunter ein blau-weißes Tuch, auch ihr schwarzes Haar war zu erspähen. In ihrer linken Hand lehnte ein Gewehr. Der Grund aber, warum sie überhaupt lebensgroß auf einem Plakat erschien, wartete in ihrer rechten Hand. Die Designer hatten ihn geschickt in Szene gesetzt. Er überstrahlte die anderen Details; die Mütze, das Tuch, das Haar, das Gewehr und selbst das vergnügte Grinsen. Dort, in Barbara Engleders Hand, baumelte eine olympische Goldmedaille aus Rio de Janeiro.

Fast ein halbes Jahr liegen die Spiele von Rio jetzt schon zurück. Die Goldschützin Engleder, 34, arbeitet inzwischen in der Rathausverwaltung ihrer niederbayerischen Heimat Triftern, die Profikarriere hat sie beendet. "Jetzt kann ich endlich meinen Sohn selber ins Bett bringen", hat sie der SZ vor ein paar Wochen erzählt.

Engleder hat erfahren, wie flüchtig der Triumph sein kann. Manchmal rückt sie aber doch noch in den Mittelpunkt. Wie von Donnerstag bis Samstag, als sich die Weltelite der Schützen zum Internationalen Wettkampf (IWK) an der Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück tummelte. Engleders Gesicht war omnipräsent. Obwohl aus dem Profisport zurückgetreten, schmückten etliche Engleder-Plakate die Anlage. Am Samstag, dem Finaltag, sprach sich irgendwann herum, dass sie sogar selbst zusehe. Nicht nur von Plakaten, sondern mit ihren eigenen Augen. Weil Engleder jedoch auch mit Goldmedaille bodenständig und bescheiden geblieben ist, bekam das fast keiner mit.

Engleder weiß, dass das ohnehin schwache Scheinwerferlicht der Schießszene nun anderen gehört. 660 Schützen aus 49 Nationen traten in Hochbrück an, wo sie einen frischen olympischen Zyklus einleiteten. Ab sofort heißt das Fernziel: Tokio 2020. Die neue Perspektive ließ sich auch am Teilnehmerfeld ablesen. "Die Länder haben sehr viele Junioren geschickt", sagte Ralf Horneber, der Sportdirektor des Bayerischen Sportschützenbundes (BSSB). "Viele Nationen strukturieren gerade um. Es ist eine Übergangsphase."

"Es ist eine Übergangsphase": Auch für Nachwuchshoffnung Selina Gschwandtner, die in Garching mit Platz fünf zufrieden war. (Foto: Claus Schunk)

Selbst in einer solchen Übergangsphase bewegt sich der Wettbewerb in München auf Weltklasseniveau. "Es gibt Olympia, die WM, die EM, den Weltcup - und dann kommen wir", erläuterte Horneber. Viele Olympiateilnehmer ließen sich das Kräftemessen mit den Besten der Welt nicht nehmen. Manche mussten sogar aufkreuzen, denn einige Verbände - unter anderem der deutsche - nutzten den Wettkampf als interne Qualifikation für die Europameisterschaft, die Anfang März im slowenischen Maribor stattfindet.

"Die Jungen müssen jetzt ran", forderte Horneber daher, "sie müssen die Lücken füllen." Und wer sind diese Jungen im deutschen Kader? "Der Maxi Dallinger könnte so einer sein", prophezeite der Sportdirektor noch vor dem Wettkampf - und landete damit einen Volltreffer. Denn nicht nur zog dieser Maximilian Dallinger, 20, ins Finale des Luftgewehr-Wettkampfs ein, er düpierte dort auch noch die anwesende Weltspitze. Einen nach dem anderen ließ der Lengdorfer hinter sich: Illia Charheika, den Olympiasechsten, Milutin Stefanovic, den Olympiazwölften, Istvan Peni, den Olympia-13., Milenko Sebic, den Olympia-33. Nur Dallinger durfte immer weiter schießen. Runde für Runde setzte er sich gegen die sieben namhaften Konkurrenten durch. Und als er mit dem letzten Versuch eine fabelhafte 10,6 schoss, während der Russe Sergei Kamenskii nur eine 9,9 erreichte, eroberte er sogar den Spitzenrang.

"Ich habe im letzten Jahr einen Sprung gemacht", sagte Dallinger später, dass dieser Sprung aber direkt in die Weltspitze führte, verblüffte nicht nur ihn selbst. In Hochbrück war er angetreten, um sich für die EM zu qualifizieren. Langsam sollte sich Dallinger, der eine Ausbildung bei der Dachauer Polizei absolviert, der Spitze nähern. Zugetraut worden war das ihm schon immer. Zweimal ist er Junioren-Europameister geworden. In seinem zweiten Herrenjahr fährt er nun mit besten Referenzen nach Slowenien. "Eine Medaille wäre etwas hochgegriffen", sagt er trotzdem. Und Olympia 2020? "Ja, das wär' schon was."

Maximilian Dallinger, 20, etabliert sich an der Weltspietze. In Garching gewinnt er den Internationalen Wettkampf und löst sein EM-Ticket. (Foto: Claus Schunk)

Diesen Plan verfolgt auch Selina Gschwandtner, 22, Bundesligaschützin der HSG München. In Rio war sie schon dabei, schied als 13. im Vorwettkampf aus und erlebte Engleders Triumph aus der ersten Reihe. Am Samstag zog sie ins Luftgewehr-Finale ein, der große Wurf blieb ihr dort als Fünfte verwehrt. Ein bisschen Druck habe sie schon gespürt, gestand sie, schließlich stand die EM-Quali auf dem Spiel. Diese hat Gschwandtner nun aber in der Tasche, und sowieso sei es "seit langem mal wieder ein guter Wettkampf" gewesen. Ihre Karrierepläne betrachtet die Studentin aber langfristiger: "Ich will bis Tokio weitermachen - und noch mal bei Olympia mitmachen."

Dallinger und Gschwandtner stehen an der Spitze einer neuen Sportschützen-Generation, die die Weltspitze schon jetzt aufmischt, die großen Erfolge aber erst 2020 anpeilt - und in vier Jahren dann am liebsten selbst mit Medaillen auf den lebensgroßen Postern in Hochbrück strahlen will.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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