Schausteller auf der Wiesn:"Die Wiesn ist unser Strohhalm"

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Schausteller Karl Häsler über die Sparsamkeit der Festgäste und die Sorgen seiner Zunft.

Claudia Wessel

Wer als Schausteller einmal auf der Wiesn gelandet ist, der ist für den Rest des Jahres saniert. Das zumindest glaubt man angesichts der Menschenströme, die zum Oktoberfest kommen. Die Realität aber sieht oft anders aus. Die SZ sprach mit Karl Häsler, Inhaber der Neuheit "Psychodelic", der seit 13 Jahren mit seinen Fahrgeschäften auf der Wiesn vertreten ist.

Für Karl Häsler (links), Inhaber der diesjährigen Wiesn-Neuheit "Psychodelic", ist das Oktoberfest kein schöner Luxus mehr. Er braucht die Einnahmen, um Verluste auf anderen Volksfesten auszugleichen. (Foto: Foto: Haas)

SZ: Sind Sie froh, heuer wieder hier gelandet zu sein?

Häsler: Ich freue mich sehr. Gerade, weil ich meine Fahrgeschäfte selber baue, ist das für mich immer wieder eine Auszeichnung. Was für einen Filmschauspieler der Oscar ist, ist für mich die Wiesn.

SZ: Und finanziell geht es Ihnen danach auch extrem gut, oder?

Häsler: Nein, das stimmt nicht. Das ganze Jahr war schon ganz, ganz schwach in der Branche. Wetterbedingt und auch durch die gestiegenen Energiekosten. Auch hat das Publikum einfach weniger Kaufkraft. Wenn die Leute heute auf ein Volksfest gehen, sagt der Familienvater: Drei Karussells - sucht euch welche aus. Da gehen die dann ganz gezielt hin. Meistens zu den Neuheiten. Früher saß der Vater im Bierzelt, und wenn die Kinder kein Geld mehr gehabt haben, haben sie sich nochmal Nachschub geholt. Das ist heute nicht mehr so.

SZ: Wann hat sich das geändert?

Häsler: Seit der Einführung des Euro etwa. Das erste Jahr war noch okay, da konnten die Leute noch nicht so ganz damit umgehen, dann haben sie es gelernt. Seitdem ist es für uns ganz, ganz schwer geworden.

SZ: So ein Regentag wie heute - wie viel macht der aus?

Häsler: An einem Montag ist Regen das kleinste Übel. Aber wenn dieser Regentag am Sonntag gewesen wäre - das können zehn bis 15 Prozent und manchmal auch 20 Prozent der gesamten Wiesneinnahmen sein, die da verlorengehen. Also: Am Wochenende darf es überhaupt nicht regnen.

SZ: Aber gerade da kommen die Leute doch trotzdem.

Häsler: Ja, sie kommen, aber sie gehen in die Zelte. Und danach sind sie schnell wieder zu Hause. Da setzten sie sich nicht in ein Karussell.

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SZ: Sie bauen Ihre Fahrgeschäfte selbst? Warum? Häsler: Es macht mir Spaß, selbst kreativ zu sein, ich kann damit innovative Neuheiten anbieten, und es ist natürlich billiger. Ich spare so zirka 50 Prozent der Baukosten.

SZ: Wie viele Gäste pro Tag brauchen Sie, damit die Wiesn kein Verlust wird?

Häsler: Wenn ich alle meine Kosten rechne, muss ich mindestens 1000 Gäste am Tag haben. An einem Wochenende wie dem vergangenen war das kein Problem, am heutigen Montag ist es ein sehr großes Problem. Die Wiesn ist natürlich ein riesiger Wirtschaftsfaktor für uns Schausteller. Für viele von uns ist es ein Strohhalm.

SZ: Als Ausgleich für schlechtere Volksfeste?

Häsler: Genau. Es gibt ein paar sehr gute Feste. München ist das beste. Dann gibt es den Bremer Freimarkt, die Cranger Kirmes, die Düsseldorfer Rheinwiese, die immer im Juli läuft. Im Schaustellerjargon sagt man eigentlich immer: Ab Düsseldorf geht's los. Düsseldorf, Crange, Straubing, Rosenheim, da kommen dann die richtig guten Plätze. Bisher war es immer so, dass unsere Kontokorrentkredite ab Düsseldorf ausgeglichen waren. Dann waren wir auf einem grünen Level und dann kamen wir nach München, und das war dann toll.

SZ: Ist die Wiesn auch in diesem Jahr Ihr Strohhalm?

Häsler: Mittlerweile ist es so, dass wir aufs Oktoberfest fahren und es wirklich brauchen, um unsere Kredite wieder auf ein normales Level zu bringen. Nur wenige Schausteller haben danach noch gute Herbstplätze, so wie wir. Viele haben nach der Wiesn einfach nichts mehr, vielleicht noch die Dult, und das war's dann. Ich fahre noch zum Bremer Freimarkt, auf die Soester Allerheiligenkirmes und auf den Rostocker Weihnachtsmarkt. Ich bin aber auch zehn Monate im Jahr unterwegs, meist getrennt von meiner Frau, die mit einem zweiten Fahrgeschäft woanders steht. Vor dem Euro brauchten wir diese doppelten Einnahmen noch nicht. Die Platzmieten werden ja auch immer höher, aber ein Schausteller kann die Preise nicht einfach so umlegen. Die sieben Euro zum Beispiel für den Fünfer Looping sind eigentlich zu wenig. Der Betreiber hat einen Riesenaufwand. Das Ding von einem Ort zum anderen zu kriegen, verursacht Kosten in einem sechsstelligen Betrag.

© SZ vom 23.09.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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