Schauspieler Jeroen Willems ist tot:"Er war eine Erscheinung"

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Jeroen Willems - hier als König Ludwig II. - starb im Alter von 50 Jahren an Herzversagen. (Foto: Kammerspiele)

Charmantes Lächeln, cooler Verführerblick, außergewöhnliche Sprachgewandtheit: Jeroen Willems war einer der facettenreichsten Schauspieler Europas. An den Münchner Kammerspielen gab er zuletzt den Kini. Nun ist er mit nur 50 Jahren in Amsterdam gestorben.

Von Christine Dössel

Er war ein schöner Mann. Markante Züge, charmantes Lächeln, dazu dieser coole Verführerblick - der Holländer Jeroen Willems hatte etwas vom James-Bond-Typus der alten Sean-Connery-Schule, wies neben Intelligenz und Klasse aber auch genügend Verrücktheit, Musikalität und Sexiness auf, um als der ältere Bruder des Popsängers Robbie Williams durchzugehen. Man sah ihn unwahrscheinlich gerne an - und nicht nur die Frauen verliebten sich in ihn, sondern sehr oft auch die Männer, denen er (sexuell) näher stand.

Aber das Aussehen macht noch keinen guten Schauspieler, und Jeroen Willems war einer, einer der besten, facettenreichsten Europas. Er hatte nicht nur das Handwerkszeug eines wunderwandelbaren Charakterdarstellers und eine außergewöhnliche Sprachgewandtheit - er hatte das, was man Ausstrahlung nennt. Etwas, was man nicht lernen, sondern nur als Geschenk empfangen und an andere Menschen weiterschenken, abstrahlen kann. Dieses Leuchten, dieses Wissende, Energetische, das von ihm ausging, machte einen großen Teil seiner Bühnenpräsenz aus.

In dem Longseller "Zwei Stimmen", der preisgekrönten Solo-Performance über Macht und Moral, die den holländischen Schauspieler weit über sein Land hinaus berühmt machte, verkörperte Jeroen Willems mit genialischer Verve nicht nur einen Industriellen á la Cor Herkströter, den ehemaligen Konzernchef der Shell-Gruppe International, der es ablehnte, Verantwortung für die ausbeuterische Ölförderungspolitik seines Konzerns zu übernehmen. Willems spielte in diesem bemerkenswerten Stück nach Texten von Pier Paolo Pasolini gleich noch vier weitere Spitzenvertreter globalkapitalistischer Macht: einen Politiker vom Schlag eines Berlusconi, einen Kleriker, einen Mafioso und einen verschrobenen Intellektuellen - alle versammelt an einer heruntergefressenen Dinnertafel, alle von Willems mit der scharfen Brillanz eines hochvirtuosen Verwandlungskünstlers porträtiert, wobei er von einem Stuhl auf den nächsten wechselte.

"Zwei Stimmen", inszeniert von Johan Simons, kam 1997 als Produktion von dessen Gruppe ZT Hollandia heraus und war bei weltweiten Gastspielen in insgesamt 350 Vorstellungen zu sehen - auf Holländisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Willems war in diesem Sinne ein wirklich internationaler Schauspieler, hat sich eine Fremdsprache wie eine neue Rolle zu eigen gemacht. Seine beeindruckende Verwandlungs- und Verführungskunst stellte er auch in "Der Fall der Götter" (1999) unter Beweis, auch das eine international gefeierte Inszenierung von Johan Simons mit ZT Hollandia. Erzählt wird, basierend auf Luchino Viscontis Film "Die Verdammten", vom Aufstieg und Fall der Familie Krupp zur Zeit des Nationalsozialismus - und wieder brillierte Willems in mehreren Rollen.

Überhaupt war Jeroen Willems der Star der Hollandia-Truppe, der er seit der Gründung 1985 angehörte. Johan Simons, der schon während des Schauspielstudiums Willems' Mentor war - in Holland heißt das "Bühnenvater" -, hatte ihn von der Schauspielschule dazugeholt. Seine erste Rolle spielte er in Franz Xaver Kroetz' "Bauern sterben"; von 1997 an führte er auch selbst immer wieder mal Regie.

Seit 2004 war Willems frei unterwegs. Für "Brel, de zoete Oorlog", seine Hommage an den Chansonnier Jacques Brel, erhielt er 2004 den niederländischen Theaterpreis Louis d'Or; 2006 brachte er das Nachfolge-Stück "Brel 2" heraus und ging damit international auf Tournee.

Auch in der deutschsprachigen Theaterlandschaft war Willems regelmäßiger Gast, so zum Beispiel bei den Wiener Festwochen, wo er mit Luc Bondy und Christoph Marthaler arbeitete. In Heiner Müllers "Quartett", das Barbara Frey 2007 für die Salzburger Festspiele inszenierte, spielte er an der Seite von Barbara Sukowa. An den Münchner Kammerspielen, wo Simons inzwischen Intendant ist, war Willems in der Kieslowski-Adaption "Drei Farben: Blau, Weiß, Rot" im Schlussteil als Richter zu sehen. Und er hatte keine Skrupel, als Holländer in München den Kini zu geben: In "Ludwig II", inszeniert von Ivo van Hove nach dem Film von Visconti, war er ein in seiner künstlerisch-visionären Einsamkeit sehr einnehmender, melancholischer Märchenkönig von großem Ernst, ein scheuer Sonderling, dessen holländischer Akzent ihn im Kreis der Staats- und Hofschranzen noch fremder wirken ließ.

Dass Jeroen Willems, geboren am 15. November 1962 im niederländischen Heerlen, am Montag im Alter von nur 50 Jahren gestorben ist, kommt für alle, die ihn kannten, völlig unerwartet. Der in Holland auch als Filmstar beliebte Schauspieler war bei einer Liedprobe für die Gala zur 125-Jahr-Feier des Amsterdamer Theaters Carré zusammengebrochen und starb - nach den Angaben von Johan Simons noch im Krankenwagen - an Herzversagen. Die Abendveranstaltung, die auch Königin Beatrix besuchen wollte, wurde abgesagt.

Der Tod von Jeroen Willems ist ein Schock. "Er war eine Erscheinung. Wenn er auf die Bühne kam, ging ein Strom von ihm aus." So sagt es sein Bühnenvater Johan Simons. "Er spielte nah an der Seele."

© SZ vom 05.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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