In München gut indisch essen zu gehen, ist weit schwieriger, als das Angebot entsprechender Restaurants vermuten lässt. Das mag auch daran liegen, dass eine der größten Stärken der indischen Küche, ihre sensationelle Anpassungsfähigkeit, sich eben auch als Schwäche erweisen kann. Ob nach Malaysia, Großbritannien, Südafrika oder in die Karibik - seit Jahrhunderten exportieren indische Auswanderer ihre Rezepte in die ganze Welt und wandeln sie ab; auch indem sie Zutaten und Zubereitung an Traditionen und Geschmack ihres jeweiligen Gastlandes ausrichten.
Und im Falle Deutschlands scheint das meist zu bedeuten: ein wenig zu deftig, zu fleischlastig und zu mutlos. Kein Wunder, verlangen Gäste hiesiger indischer Lokale doch mit Lust nach Grillplatten und schweren Soßen. Häufigster Satz? "Entschuldigung, aber für mich bitte nicht so scharf!" Das Intro auf den üblicherweise currygelben Plastikspeisekarten, in dem gern blumig von der geheimnisvollen Welt der Gewürze fabuliert wird, scheint vielen Gästen auszureichen.
Man darf es deshalb als gutes Zeichen werten, dass im Royal India oft indisches Publikum anzutreffen ist. Wenn für dieses auch "etwas anders" gekocht werde, wie Restaurant-Chef Anil Trehan auf unsere Nachfrage hin mit leicht süffisantem Lächeln versicherte. Größter Unterschied? "Die mögen es würziger, mehr Ingwer, mehr Chili, mehr Knoblauch." Wer den Mund aufmacht, kann also auf Flexibilität hoffen. Was ein weiterer Beleg dafür ist, dass deutsche Gäste indischer Restaurants für eventuelle Langeweile auf ihren Tellern zumindest zum Teil selbst verantwortlich sind. Zumal der Schärfegrad alles andere als die einzige Stellschraube ist und eigentlich erst die Europäer Chili und Tomaten nach Indien brachten.
Anil Trehan stammt aus dem Punjab, und auch auf seiner Speisekarte dominieren die üblichen Klassiker wie Hühnchen oder Lamm nach Tandur-, Korma- oder Nilgiri-Art. Doch sticht das Royal India in mehrfacher Hinsicht unter den vielen Lokalen mit vergleichbarem Angebot positiv hervor. Das beginnt mit der Einrichtung, die durch eine für indische Verhältnisse fast meditative Schlichtheit überzeugt. Die angenehme Atmosphäre des L-förmigen Raums rührt zum einen vom warmen Licht her, das die Kerzen auf den Tischen und die (dezenten) Kristallleuchter an der Decke spenden. Zudem sind die bilderarmen Wände in einem satten Himbeerton gehalten, der sich überaus beruhigend auf Besucher auszuwirken scheint.
Der Service ist schnell, unkompliziert, freundlich, diskret und persönlich. Was auch daran liegt, dass das Ehepaar Trehan seine Gäste durchweg selbst bewirtet. Die Küche überlassen sie einem Koch aus Mumbai, wo viele kulinarische Strömungen Indiens vertreten sind. Das ist insofern nicht ganz unwichtig, als auch in München immer noch das nordindische Angebot dominiert, während man etwa nach Einflüssen der vielfältigen südindischen Küche länger suchen muss.
Im Royal India sollte man den Abend mit einer Suppe beginnen. Die Hühnersuppe (Chicken-Shorba, 3,90 Euro) hatte ein wunderbares, leicht rauchiges Aroma, das gut zum frischen Koriander passte, die Linsensuppe (Dal-Shorba, 3,70 Euro) schmeckte zunächst nussig mild mit einer überraschend pointierten Restschärfe. Wie überhaupt die Gerichte hier so gewürzt waren, dass die Schärfe stets Raum für die anderen Aromen ließ. Als Vorspeise kamen Stücke von Fisch, Huhn und Gemüse, frittiert in einem knusprigen Teig aus Kichererbsenmehl und Gewürzen (Pakora, 9,50 Euro für zwei Personen); ebenfalls duftig geraten: die ansonsten doch heftig sättigenden Samosas (4,50 Euro), zwei Teigtaschen mit einer Füllung aus Kartoffelcreme und Erbsen.
Eine echte Empfehlung als Hauptgericht ist der Royal India Thali (13,90 Euro), eine Art Curry-Überraschungs-Dreierlei (zwei Fleischgerichte und ein vegetarisches); die dabei servierten Gerichte reichen fast für zwei Esser. Sie finden sich nicht immer auf der Karte wieder, sondern entspringen auch der Laune (und den Vorräten) des Kochs, weshalb wir in den Genuss einer leckeren vegetarischen Kombination aus hausgemachtem Käse (Paneer), Kichererbsen, Tomaten und Ingwer kamen. Ebenfalls gut, wenn auch etwas schwer: Das zarte Lamm in Kokosnuss-Mandel-Sahne (Mutton Korma).
Eine Stärke des Hauses sind die vegetarischen Gerichte. Der Käse in ayurvedischer Spinatsoße (Palak Paneer, 9,90 Euro) zum Beispiel, eine Art Standard-Teller, schmeckte angenehm aromatisch und - keine Selbstverständlichkeit - bissfest; die schwarzen Linsen in Butter (Dal Makhni, 8,20 Euro) waren cremig und subtil gewürzt. Ebenfalls aromatisch, aber leider ein wenig zu trocken, die Tandur-Fleischgerichte (Mix Grill, 14,50 Euro).
Als indische Weinbegleitung wählten wir übrigens einen Sauvignon Blanc (Gover Vineyards, 19,80) aus den Nandi Hills bei Bangalore. Ein direkter Fehler war das sicher nicht, aber ein Helles zum reichhaltigen Essen am Ende doch deutlich besser. So gesehen ist die Stadt München eigentlich eine natürliche Verbündete der indischen Küche.