Rock-Clubs:Bühne frei für Luftgitarristen

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Gut aufgehoben in der Vergangenheit: Ältere Rockfans finden auch in München noch ein paar Refugien.

Franz Kotteder

Von der uralten Rockband Jethro Tull gibt es eine rührselige Ballade namens "Too old to Rock'n'Roll, too young to die". Es geht darin um einen alternden Rocker, der irgendwie aus der Zeit gefallen ist, weil keiner mehr seine Musik hört, und der schließlich mit seinem Motorrad heftig verunglückt.

Im Doom (Foto: Derlath)

Zu alt für den Rock'n'Roll, zu jung zum Sterben eben. Merkwürdigerweise mag einem dieses Lied nicht aus dem Kopf gehen, wenn man in München unterwegs ist auf der Suche nach den Stätten seiner musikalischen Jugend, die so arg weit ja auch wieder nicht zurückliegt.

Trotzdem, der alternde Rockliebhaber hat es schwer, wenn er ausgehen will, vor allem, wenn er die etwas härteren Töne liebt.

Vordergründig mag es ja so aussehen, als ob seine Musik längst ihren Siegeszug vollendet hätte: In altbayrischen Traditionswirtschaften läuft Foreigners "Urgent" aus dem Jahr 1981 als Hintergrundmusik; so genannte Classic-Rock-Radiosender dudeln Tina Turner und Joe Cocker rauf und runter, und die Konzertkalender sind voll mit Rockbands älterer Bauart.

Für die rebellische Jugend

Die großen Stadiongigs sind inzwischen gesellschaftliche Ereignisse; bei Bon Jovi oder U2 trifft man gelegentlich Leute, die wegen ihres Amts oder ihrer Position eigentlich gar nichts auf Rockkonzerten zu suchen haben - Unternehmer, Chefredakteure, Ministerpräsidenten. Leute, bei denen einem nicht als erstes das Stichwort "rebellische Jugend" einfällt.

Aber Discos, Kneipen, gar das, was man in grauer Vorzeit "Rockschuppen" nannte?

Scheint es in München nicht mehr zu geben. Es sei denn, man besucht den Dinosaurier unter den Münchner Clubs, das Crash. Früher war es in der Lindwurmstraße unter der Eisenbahnbrücke angesiedelt - eine der ersten Adressen für Rockfans und junge Bands, die hier ihre ersten Auftritte hatten, die nicht selten auch die letzten waren. Mittlerweile ist das Crash in der Ainmillerstraße 10 zu Hause, und der Schriftzug über dem Eingang hat noch den Charme der Siebzigerjahre.

Auch drinnen fühlt man sich gut aufgehoben in der Vergangenheit. Donnerstags, freitags und samstags ist hier Programm, gelegentlich auch dienstags, am "Special Tuesday", zum Beispiel am 14. Mai, wenn "Glam Rock Night" ist und der DJ dann Sweet, Kiss und Suzi Quattro auflegt.

Normalerweise läuft im Crash der härtere Rock zwischen Led Zeppelin und AC/DC; freitags ist "Oldies Night", bei der ziemlich alles läuft, was zwischen den Sechzigern und den Achtzigern entstanden ist.

Die Musik laut, das Bier billig

Ansonsten liegen finstere Jahre hinter den Münchner Rockfreunden älteren Jahrgangs. Vor ein paar Jahren schon hat das Fantasy in Neuaubing dicht gemacht.

Das Fan, wie es von Insidern genannt wurde, war eine vogelwilde Disco, in der meist Hardrock lief. Manche können sich noch an die legendären Zeiten erinnern, als man sich Gummigitarren ausleihen konnte, um die Soli beim Tanzen nachzuspielen.

Die Clubleitung hat diesen Service irgendwann wieder eingestellt, weil manche Gäste sich die Dinger in der Ekstase gegenseitig über den Schädel zogen.

Ansonsten war das Fan aber eine solide Angelegenheit, die Musik war laut, das Bier nicht teuer, und Billardspielen konnte man auch.

Vorbei, ebenso wie der Rockclub Munich am Frankfurter Ring, in dem es öfter mal Konzerte vergangener Pop-Größen gab, Slade zum Beispiel. Man schätzte dort recht realistisch ein, was man zu bieten hatte, und es konnte einem passieren, dass der Barkeeper auf die Klage, das Bier schmecke etwas abgestanden, nur grinste und sagte: "Mei, so wia der Sound da herinnen halt aa!" Dem ließ sich wenig entgegenhalten.

Manchmal mochte man sich als alternder Rocker fragen, ob es nicht besser wäre, sich wie die Hauptfigur in Jethro Tulls Song einfach von einem Motorrad aus der Kurve tragen zu lassen, angesichts des gastronomischen Angebots.

Die Nische im Kunstpark

Aber mittlerweile hat sich doch schon etwas geändert, und so wird man beispielsweise ausgerechnet an einem Ort fündig, wo man es am wenigsten erwartet hätte.

Im Kunstpark Ost fühlt man sich mit Mitte 30 manchmal etwas unwohl. In diesem Alter, so scheint's, hat man in Discos nichts zu suchen, außer man ist der Aufpasser für Sohn oder Tochter oder ein Drogendealer - beides wenig angesehene Tätigkeiten in den Augen der Jugend.

Dann aber entdeckt man ganz am Rande des Kunstparks, hinten beim Parkhaus, einen Club: das Doom. Früher war hier das Schockers untergebracht, eine aufgebrezelte Geisterbahn, und das sieht man der Halle noch an.

Inzwischen aber ist das Doom die Heimat geworden für Hardrockfreunde aus den älteren Semestern. Freitags und samstags laufen hier AC/DC, Iron Maiden, Van Halen, ZZ Top und so weiter. Dann wirbeln die Matten (also die langen Haare) der ganz Eisernen, die natürlich "mit der Maschin" gekommen sind.

Und immer wieder gehen die Hände mit den ausgestreckten Zeige- und kleinen Fingern in die Höhe, das Erkennungszeichen der Heavy-Metal-Fans. Es ist übrigens nicht so, dass ins Doom nur reinkommt, wer für alle anderen Clubs zu alt wäre. Das Publikum ist im Gegenteil vom Alter her gemischt, aber man wundert sich nicht über reifere Rockfans.

Harte Töne und "Rüscherl"

Ähnliches gilt auch für die Disco Titanic City am Kurfürstenplatz. Für die Oldies ist hier samstags "DJ Dutschi" zuständig. Wer aber weniger auf Halle oder Disco steht, der geht inzwischen in die Musikkneipe Inside in der Leopoldstraße 118.

Auch dort gibt es härtere Töne, besonders freitags und samstags. Und eine absonderliche Steigerung jenes Prolo-Cocktails "Rüscherl"(eine Mischung aus Cola und Kognak), die offenbar das schauerliche Nationalgetränk aller Hardrockfans ist.

Im Inside aber steht auch noch "Rotwein-Cola" zum Preis von 3,90 Euro auf der Getränkekarte, und das ist gewiss ein Grund, darüber nachzudenken, ob man mit zunehmendem Alter nicht vielleicht doch vernünftiger und gesetzter werden sollte.

Ein bisschen Melancholie beim Gedanken an die alten Zeiten ist ja trotzdem erlaubt. Zum Beispiel dann, wenn der DJ im Crash morgens um vier mal wieder als Rausschmeißer "The Logical Song" von Supertramp auflegt: "When I was young it seemed that life was so wonderful..."

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