Ringen:Von Favoriten umzingelt

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Erwartungen erfüllt: Justas Petravicius (re.) gelingt gegen Dustin Scherf einer von vier Hallberger Siegen. (Foto: Marco Einfeldt)

Der SV Siegfried Hallbergmoos erwartet trotz seiner jüngsten Playoff-Teilnahme eine schwierige Saison in der Bundesliga Südost. Der Auftakt gegen Heilbronn endet in der erwarteten Niederlage.

Von Andreas Liebmann, Hallbergmoos

Von "zähen Verhandlungen" hatte der SV Siegfried Hallbergmoos in diesem Frühjahr berichtet, allem Anschein nach hatte sich Michael Prill doch ein wenig geziert, ehe er seine Lizenz für die neue Saison unterschrieb. Die vermutlich unzähligen, endlosen und zermürbenden Gespräche mit dem Athleten haben sich dann aber doch gelohnt, zumindest stand Prill, der für den Erstligisten aus dem Landkreis Freising in den Gewichtsklassen bis 75 Kilogramm und 80 Kilo Greco ringt, zum Saisonstart am Samstag in Hallbergmoos doch wieder auf der Matte.

Nun gut, die Sache mit den angeblich zähen Verhandlungen hatte der Verein auf seiner Facebook-Seite natürlich als Scherz gemeint, augenzwinkernd, vermutlich hat Prill den Satz sogar selbst so veröffentlicht. Sein Bleiben war klar, er leitet den Verein, seit er ihn 2013 übernommen, von der ersten per Rückzug in die vierte Liga und auf sportlichem Weg wieder in die erste Liga zurückgeführt hat. Ohne Prill wird hier beim SV Siegfried kein Kampf ausgetragen, kein Lichtschalter betätigt und vermutlich auch keine Flasche geöffnet. Er kümmert sich - natürlich nicht alleine - um die Organisation, um die finanzielle Lage ("mein Ziel ist es, jedes Jahr auf die schwarze Null zu kommen, ohne unsere Rücklagen angreifen zu müssen"), um die Öffentlichkeitsarbeit, er ringt, und seit dieser Saison ist er nun auch noch Bestandteil des neuen Hallbergmooser Trainer-, Achtung: -quartetts! Gleich vier aktive Ringer teilen sich nämlich den Job, den im Vorjahr noch der Aichacher René Stange ausübte. Die finanziellen Möglichkeiten hätten es nicht weiter zugelassen, einen auswärtigen Trainer zu beschäftigen, deshalb haben Prill, Markus Niedermair, Ergün Aydin und Andreas Walter dessen Aufgaben untereinander aufgeteilt - die ersten beiden decken den griechisch-römischen Bereich ab, Aydin und Walter, "unsere Spitzenringer" (Prill), betreuen die Freistil-Richtung. Aydin war im Mai Zweiter der deutschen Meisterschaften, Walter holte Bronze.

Auf der Matte hatte es Prill am Samstag beim Saisonauftakt vor etwa 400 Zuschauern in der eigenen Halle schwer, er unterlag in seinem Greco-Kampf Fabian Fritz mit 0:2 Punkten. Aber das war zu erwarten gewesen, ebenso wie die Gesamtniederlage, 12:17 gegen die Heilbronn Devils.

Ende des vergangenen Jahres stand Prills Verein noch im Playoff-Viertelfinale. Trotz des Ausscheidens gegen Mainz nennt Prill dieses Abschneiden "das absolute Highlight" - mehr, als man angesichts der eigenen Möglichkeiten je habe erwarten dürfen. Doch obwohl sich am eigenen Kader seitdem kaum etwas getan hat, ist der junge Vereinschef, der am Tag vor dem Auftaktkampf seinen 28. Geburtstag feierte, dieses Mal alles andere als optimistisch in die Saison gestartet. Denn im Gegensatz zur Hallbergmooser Mannschaft hat sich um sie herum eine ganze Menge verändert, speziell die Zusammensetzung der regionalen Liga-Gruppen. Der Südosten ist im Vergleich zur Vorsaison ungleich stärker geworden, durch die Aufstiege des AC Lichtenfels und des von Prill als finanzstark bezeichneten ASV Schorndorf, vor allem aber durch die zusätzliche Umgruppierung eben der Heilbronn Devils aus der Südwest-Gruppe. Damit treffen im Südosten nun der Meister Burghausen und der Vizemeister Heilbronn bereits in der Gruppenphase aufeinander. "Wahnsinn", nennt Prill diese Einteilung, "da hat sich jemand wenig Gedanken gemacht". Die meisten jener Teams, die sich in den anderen Gruppen gerade berechtigte Hoffnungen auf eine Playoff-Teilnahme machten, könnte Hallbergmoos vermutlich bezwingen, schätzt er, doch in der eigenen Gruppe werde man sich wohl mit Aue und Lichtenfels auf den hinteren Plätzen wiederfinden.

Der Auftaktgegner Heilbronn sei mit mehr als einem Dutzend Zugängen in die Saison gegangen, alle Gewichtsklassen doppelt besetzt, "ganz andere Voraussetzungen als bei uns", weiß Prill. So lief das Duell am Samstag dann auch. Das Resultat, die 12:17 Punkte, fand Prill in Ordnung, "wir haben uns achtbar aus der Affäre gezogen". Auch die Zuschauer seien zufrieden gewesen. Niemand habe enttäuscht, allerdings sei auch niemand derart über sich hinausgewachsen, dass er damit eine echte Überraschung ermöglicht hätte. Und die leise Hoffnung, dass die Gäste sie unterschätzen und in mäßiger Aufstellung kommen würden, hatte sich auch nicht erfüllt.

Eine wichtige Personalie war bereits seit Jahresanfang klar, in Manrikos Theodoridis verlor der SV Siegfried einen seiner Publikumslieblinge, der nun im badischen Adelhausen kämpft, kurz vor der Schweizer Grenze. "Das tut uns sehr weh", gibt Prill zu. Hier setzt der Verein auf eine interne Lösung, nämlich auf den 24-jährigen Litauer Justas Petravicius. Am Samstag gewann er seinen 61-Kilo-Greco-Kampf gegen Dustin Scherf 4:0. Im Freistil bis 57 Kilo hatte sich wie erhofft Mihran Jaburyan gegen Anatolii Buruian 2:0 durchgesetzt. Der Armenier wurde als Ersatz für den wegen einer Knieverletzung ausgeschiedenen Ivan Zamfirov geholt. Die weiteren Punkte für Hallbergmoos verbuchten Alex Kessidis und Ahmet Bilici. Der Schwede Kessidis hatte vor knapp zwei Wochen in Kasachstan WM-Silber geholt und sich damit das Olympia-Ticket gesichert. Er ist zurzeit der größte Trumpf des Vereins und bietet obendrein einen spektakulären Kampfstil. Allerdings war vermutlich auch sein Name schuld daran, dass die Heilbronner den ersten Kampftag sehr ernst genommen hatten. Ihr Chefcoach Patrick Nuding war vorab von der Heilbronner Stimme mit folgender Einschätzung zitiert worden: "Hallbergmoos hat eine stabile Mannschaft, die erneut den Anspruch hat, das Viertelfinale zu erreichen, und über eine sehr starke Ausländer-Achse verfügt."

Dieser Analyse würde Prill sicherlich widersprechen, ganz sicher zumindest dem Teil mit dem Anspruch. An diesem Donnerstag tritt sein Team beim AC Lichtenfels an, und auch wenn man natürlich nach nur einem Kampftag noch nicht wirklich unter Druck stehe, betont er doch: "Wenn wir nicht ganz hinten landen wollen, sollten wir da punkten. Das wäre auch gut fürs Selbstvertrauen."

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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