Revue im Gop:Urknall mit Pop und Pep

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Die neue Gop-Show "Bang Bang" entführt in ein fiktives Fotostudio im New York der Sechzigerjahre. Zur Wiedereröffnung des Varieté-Theaters mit Zuschauern hinter Plexiglas gibt es schräge Nummern im Retro-Stil und Artistik an Kleiderständern

Von Barbara Hordych

"Bang Bang, my Baby shot me down." Glücklicherweise fallen die Schüsse hier nur in Chers Hit aus dem Jahr 1966. Ansonsten gibt es nur die Schnappschüsse eines Fotografen, die sich als roter Faden durch die Show "Bang Bang" ziehen, mit der das Gop-Varieté-Theater jetzt nach viermonatiger Zwangspause wieder eröffnete. Als angeblicher Fotokünstler in New York, dessen Studio in direkter Nachbarschaft zu Andy Warhols Factory liegt, bringt sich der spanische Comedian Xevi Casals immer wieder auf sympathisch tölpelhafte Weise ein. In komisch verzweifeltem Bemühen ringt er inmitten des wuseligen Durcheinanders auf der Bühne um die beste Position, um mit seiner Kamera das Geschehen einzufangen. Erst ganz zum Schluss, so viel vorweg, wird sein stetes Bemühen von Erfolg gekrönt. Da erhält er den idealen Überblick von oben, an einem Kleiderbügel hängend, der noch in seinem Mantel steckt und von einem Stahlseil in luftige Höhen gehievt wird. Ausgerechnet dort trifft er dann mit der Artistin Jade Morin zusammen, die er den ganzen Abend hindurch vergeblich anschmachtete; zu den Klängen von Lou Reeds "A Perfect Day" vollführt seine Angebetete eine ästhetische Luftakrobatik auf seinen Schultern.

Dies ist eine der zahlreichen schrägen wie schönen Inszenierungsideen des französischen Regisseurs Anthony Venisse für das eineinhalbstündige Bühnenspektakel "Bang Bang". Die Show wird Corona-bedingt ohne Pause durchgespielt, mit den üblichen Abstandsregeln und reduziertem Platzangebot vor 200 Zuschauern, die in dem wieder eröffneten Haus nun durch Plexiglasscheiben an den Tischen voneinander getrennt sind. "Ein Gefühl wie in einem Aquarium, es fehlen nur noch die Putzerfische", ulkt Kreativdirektor Werner Buss bei der Einführung für die Presse in das Programm.

Ideengeberin sei die kanadische Trapez- und Cyr-Artistin Anna Ward gewesen, erklärt Buss. Sie trug den Wunsch an ihn heran, endlich einmal mit zwei Freundinnen aus ihrer gemeinsamen Zeit an der Zirkusschule in Montreal zusammenzuarbeiten. "Sie waren beste Freundinnen während ihrer Ausbildung, sind aber nach ihrem Abschluss immer nur in verschiedenen Ländern getrennt voneinander aufgetreten", sagt Buss. Anna Ward eröffnet denn auch mit ihrer Choreografie die Show: In der Uniform einer Stewardess aus den Sechzigerjahren interpretiert sie am Lufttrapez auf tänzerische Weise die Sicherheits-Anweisungen des Bordpersonals an die Fluggäste.

Die Darbietungen der zehn überwiegend kanadischen Artisten sind modisch und musikalisch eingebettet in die Farben und Songs der 1960er-Jahre. Dieser Retro-Stil verleiht dem poppig-bunten Bühnengeschehen, aus dem sich die einzelnen Nummern herausschälen, einen mitunter romantischen, melancholischen Touch.

Jede Darbietung überzeugt mit einem ganz eigenen Charakter: Einerlei, ob es sich um die Handstandakrobatik von Danielle Saulnier, die Akrobatik am Kleiderständer von Jade Morin (zu deren Referenzen auch Auftritte im Cirque du Soleil gehören), die kraftvolle Partnerakrobatik von Charlotte Gagnon und Ian Labelle oder die eher clowneske Glanznummer der Entertainer Philippe Thibaudeau und Becky Priebe handelt.

Die nahezu perfekte Verkörperung des Show-Untertitels "Schrill, wild, Glitzer total" bietet allerdings der extravagante Simon-James Reynolds im Boy-George-Outfit. Der in Australien geborene Italiener mit Wohnsitz in Belgien schlüpft in gefährlich hohe High-Heels-Stiefel, mit denen er nicht nur unverhohlen kokett und unverschämt sicher über die Bühne stolziert, sondern auch zu der musikalischen Untermalung von Herman van Veens "Wenn ich mir was wünschen dürfte" eine faszinierende Darbietung am Swinging Pole, der schwingenden Stange, zeigt.

Von jeher gehört es zum Konzept der Gop-Shows, dass sie Künstler aus verschiedenen Disziplinen zu einer bestimmten Inszenierungsidee vereint. Die Show "Bang-Bang" ist eine derjenigen, bei der dieses Konzept zu einem besonders stimmigen Ergebnis führt. Jederzeit ist spürbar, dass das Ensemble auf mehr als einer professionellen Ebene miteinander harmoniert. Trennwände scheint es zwischen ihnen nicht zu geben, so wie auch die Zuschauer die Plexiglaswände schon nach kurzer Zeit vergessen haben.

Bang Bang , bis 23. August, Gop-Varieté-Theater, Maximilianstraße 47

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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