Retrospektive:Big in Japan

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Erst vor kurzem lief sein preisgekröntes Drama "Shoplifters" in den Kinos. Jetzt zeigt das Filmmuseum alle Spielfilme des Regisseurs Hirokazu Kore-eda.

Von Josef Grübl

X steht für nix, O für Okay und V für Victory respektive Sieg: Ohne Gesten kommt man in Japan nicht weit, weder als Tourist noch als Einheimischer. Wenn einem die Menschen im Großstadttrubel Tokios etwas mitteilen wollen (dass beispielsweise etwas gesperrt, alles regelkonform oder man einfach nur glücklich mit der Gesamtsituation sei), kreuzen, krümmen oder spreizen sie eifrig ihre Finger. Dabei sind X, O und V die bekanntesten Gesten, selbstverständlich aber nicht die einzigen: Das kann man auch in den Filmen von Hirokazu Kore-eda sehen, dem wohl bekanntesten japanischen Regisseur auf internationalen Filmfestivals. In seinem jüngsten Film etwa, dem 2018 in Cannes mit der Goldenen Palme prämierten und zum Jahreswechsel auch in den deutschen Kinos angelaufenen Familiendrama Shoplifters, verständigen sich ein älterer Mann und ein Junge vor allem mit Augen und Fingern. Die beiden sind als Vater und Sohn unterwegs, im Supermarkt werfen sie sich verstohlene Blicke zu.

Dann deutet der Vaterdarsteller mit dem Daumen nach links, dem Zeigefinger nach rechts und dem Mittelfinger nach oben. Das sieht äußerst souverän aus, was es bedeutet, weiß allerdings keiner, außer dem Quasisohn natürlich. Dieser nickt wissend - und lässt mit provozierender Lässigkeit Lebensmittel in seinen Rucksack gleiten. Die beiden sind ein eingespieltes Diebesteam, mit einer Gruppe von gesellschaftlichen Außenseitern leben sie in einer Hütte am Rande Tokios. Sie sind eine Familie und kümmern sich liebevoll um ein fünfjähriges Mädchen, das sie nachts auf der Straße finden.

Der 1962 in einer kleinen Stadt bei Tokio geborene Hirokazu Kore-eda begann seine Karriere als Dokumentarfilmer beim Fernsehen, 1995 wurde er mit seinem Spielfilmdebüt Das Licht der Illusion zum Festival in Venedig eingeladen. Dieser Film eröffnet auch die Retrospektive mit allen Spielfilmen von Hirokazu Kore-eda im Filmmuseum. Der Regisseur beschäftigt sich am liebsten mit Familienbanden und Wahlverwandtschaften; wer Filme wie Nobody Knows, Still Walking oder Like Father, Like Son nacheinander sieht, wird Parallelen erkennen, wiederkehrende Motive, Verknüpfungen und Gesten. Und damit sind ausnahmsweise nicht nur jene mit den Fingern gemeint.

Hirokazu Kore-eda, Fr., 26. April, bis Sa., 22. Juni, Filmmuseum, St.-Jakobs-Platz 1.

© SZ EXTRA vom 25. April 2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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