Restauration der Synagoge in der Reichenbachstraße:Farbenrausch im Hinterhof

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Der letzte Gottesdienst in der alten Synagoge an der Reichenbachstraße im Jahr 2006. Jetzt soll das Gotteshaus restauriert werden. (Foto: Andreas Heddergott)

200.000 Euro liegen schon parat: Rachel Salamander hat sich mit ihrem Verein "Synagoge Reichenbachstraße e. V." zum Ziel gesetzt, das fast vergessene Gotteshaus zu restaurieren und wiederzubeleben. In Kulturminister Heubisch und OB Ude hat sie gewichtige Mitstreiter.

Von Eva-Elisabeth Fischer

Ortstermin Reichenbachstraße 27. Es gilt, die Ziele des von Rachel Salamander initiierten Vereins "Synagoge Reichenbachstraße", dessen Vorsitz sie sich mit dem Rechtsanwalt Ron Jakubowicz teilt, publik zu machen. Der Verein wurde am 3. November 2011 als gemeinnützig eingetragen und dient der Rettung und Instandsetzung des einzigen noch erhaltenen jüdischen Gotteshauses aus der Vorkriegszeit, das nach der Pogromnacht im November '38 als Metall- und Holzbearbeitungswerkstatt zweckentfremdet wurde.

Der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt, persönlich zugegen durch Kulturminister Wolfgang Heubisch und Oberbürgermeister Christian Ude, tragen diese Ziele nicht nur ideell mit, sondern stellen neben den zu erwartenden Sponsorengeldern beträchtliche Summen aus den Nachtrags- beziehungsweise aus den kommenden Haushalten 2014/15 in Aussicht. Heubisch hat schon mal 200.000 Euro, " für die Portokasse", aus der Denkmalschutz-Schatulle der Bundesregierung mit dabei.

Aus dem Denkmalschutzetat wird auch das Geld vom Freistaat kommen, denn bei dieser Synagoge handelt es sich um ein architektonisches Juwel, das in seiner Einzigartigkeit als bauliches Beispiel der Neuen Sachlichkeit allerdings erst ganz neu erschlossen werden will. Architekt Christoph Sattler, Gründungsmitglied des Vereins, glaubt, mit vier Millionen Euro den reinen Synagogenbau sowie weiteren zwei Millionen das darunter liegende Gewölbe einer einstigen Brauerei nach dem Originalentwurf des Architekten Gustav Meyerstein aus dem Jahr 1930 restaurieren zu können. Wunschdatum Sattlers für die Wiedereröffnung, wenn alles glatt läuft: Frühjahr 2015.

Ein Ende des "Hinterhofdaseins"

Das nach außen hin seit je unscheinbare Haus prunkte zwar auch im Interieur nicht mit der üppigen Ornamentik, wie sie in osteuropäischen Synagogen jener Zeit Usus war. Aber im Inneren ereignete sich wohl ein Farbenrausch aus Türkis an den Wänden, das das Gelb der Marmors und das sanfte Beige der Glasdecke kontrastierte. Der Vorraum, den es erst wieder zu öffnen gilt, erglühte in pompejischen Rot, zwei Lichtsäulen flankierten die Bima.

Dass die Synagoge sich so zurückhaltend in die bestehende Häuserzeile einfügte, hatte nicht allein mit dem architektonischen Purismus zwischen Bauhaus und Art Déco zu tun. 1931, als die Synagoge eingeweiht wurde, war der Antisemitismus im Deutschland der wirtschaftlichen Depression virulent. Seine Unscheinbarkeit kam auch jenem Häuflein Juden, das nach der Schoah das Gotteshaus 1947 mit geringstem Mitteln instand setzte, wegen seiner berechtigten Ängste durchaus zupass. Charlotte Knobloch, die langjährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), aber war lange vor dem Bau von Ohel Jakob bestrebt, dem "Hinterhofdasein" der Juden in München ein Ende zu setzen.

Ein Glück, dass der Bau des neuen Gemeindezentrum samt Synagoge finanziert werden konnte, ohne dass die Liegenschaft an der Reichenbachstraße verkauft werden musste. Rachel Salamander brachte mit nüchterner Härte vor, warum es Verpflichtung für Juden wie Nichtjuden der Zweiten Generation sei, diese Synagoge inmitten des einstigen Münchner Judenviertels in der Isarvorstadt zu neuem Leben zu erwecken. Es gebe kaum Spuren jüdischen Lebens in der Stadt, von wenigen Gedenktafeln abgesehen. Sie nennt es "die Präsenz der Abwesenheit. Alles fehlte, was das jüdische Leben ausmachte". Und sie machte nachdrücklich auf die Unmöglichkeit aufmerksam, gleichzeitig den Verlust zu beklagen und die Synagoge an der Reichenbachstraße verfallen zu lassen.

Wie Rachel Salamander betraten die meisten an diesem grauen Januarvormittag die Synagoge mit merkwürdigen Gefühlen. Wie sie suchten und fanden einige Frauen in der Frauenempore ihre Namensschilder, wo sie bis zum 9. November 2006, bis zur Einweihung der Hauptsynagoge Ohel Jakob, beteten.

Ellen Presser von der Israelitischen Kultusgemeinde, die ebenfalls schon als Kind hier saß, klingen noch heute die Klageschreie so mancher Überlebender beim Jiskor, der Erinnerung an die Toten an Jom Kippur, in den Ohren. Geht es nach Rachel Salamander, soll es in der Reichenbachstraße wieder jüdische, aber auch interkonfessionelle Gottesdienste geben.

Das Haus soll zur Begegnungs- und Diskussionsstätte für alle Bürger Münchens werden, die zu bestimmten Uhrzeiten ohne Voranmeldung öffentlich zugänglich ist. Vorstellbar wäre eine Verbundeintrittskarte für die Hauptsynagoge Ohel Jakob, das Jüdische Museum und die Reichenbachstraße. "Ganz nach dem Vorbild Prags", so Salamander. Nur dass dort die Erinnerung weit lebendiger ist.

© SZ vom 09.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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