Ukrainisches Restaurant in Sendling "s'Tascherl":Esse lieber ungewöhnlich

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Ukrainische Küche in Sendling: s'Tascherl bietet außergewöhnliche Speisen wie Varennyky, das sind mit Allerlei gefüllte Taschen, oder Pferdefilet. Und es schmeckt ganz fantastisch.

Karl-Heinz Peffekoven

Es gab eine Zeit, und zum Glück liegt sie lange zurück, da hielten es die Stadtplaner für einen Ausdruck hoher Gestaltungskunst, große Löcher in öffentliche Plätze zu graben, mit Beton und Abstandsgrün reichlich zu versehen und zu Kommunikationsräumen zu erklären. Meist kommunizierten dann aber, bestenfalls, nur ein paar Zecher dort unten, vor den Blicken der Passanten geschützt. Das Lochkonzept probierte man damals auch am Harras aus, der jetzt ja wieder mal neu gestaltet wird, unter Aussparung des Lochs allerdings. Und das ist gut so, denn unten drin hat sich ein sehr attraktives Lokal angesiedelt, s'Tascherl.

Im Lokal "s'Tascherl" am Harras gibt es nicht nur ukrainische Spezialitäten, sondern altbewährte Gerichte aus ganz Europa. (Foto: Robert Haas)

Ja, gewiss, man muss die Umgebung mögen. Hoch über dem kleinen Garten ragt wie eine Zwingburg ein ungeschlachter Edeka-Markt, dafür hört man die Straße wenig, weil, wie wir in der Schule lernten, der Schall und damit der infernalische Verkehrslärm des Harras hochsteigen. Hier unten aber ist alles gut: ein kleines, hell erleuchtetes Lokal, bunte Flaschen im Regal, eine edle, schlichte Einrichtung. Lustige Bilder, beschriftet mit Kauderwelsch: "Da packtete der Huhn den Ferd bei die Öhren und galopptete davon."

Peffekoven hocktete aber lieber weiter hier und erfreute sich der abwechslungsreichen europäischen Küche mit ukrainischen Wurzeln, die den Namen "Tascherl" erklären. Denn wie in Russland sind auch in der Ukraine, dem heute etwas umstrittenen Gastgeberland der Fußball-EM, gefüllte Teigtaschen ein Nationalgericht, und die Varennyky, die Tascherl, gibt es hier in vielfachen Varianten, und eine schmeckt besser als die andere.

Da ist der Klassiker mit Kartoffel- und Krautfüllung, Schmelzzwiebeln, Speck und Sauerrahm, ein derbes, aber erhebliches Vergnügen, das von der ukrainischen Großmutter der netten Wirtin überliefert ist. Je nach Jahreszeit variiert Tetiana Mozoluk die Füllungen, etwa mit Quark, Schinken und Spargelragout, mit roter Bete, mit Kraut und Südtiroler Speck, mit Stockfisch oder, sehr sättigend, Aprikosen und gebratener Entenleber.

Daher Vorsicht beim Bestellen: Auch der Hungrige schafft nur eine begrenzte Anzahl und sollte daher, will er viele probieren, zwingend die kleinen Portionen ordern. Dabei gibt es, im Interesse kalorienbewusster Gäste, sogar eine Abweichung von der reinen Oma-Lehre: Die Varennyky werden nicht mehr, wie in der Ukraine, mit flüssiger Butter gemacht, sondern mit Buttermilch.

Die ukrainischen Taschen mögen die Corporate Identity des Lokals sein - die übrige Karte hält locker mit. Die Vorspeisen sind eher französisch angehaucht, mit sehr feinen burgundischen Schnecken hier und einer derben Überraschung dort. Ordert man "Bretonische Jahrgangssardinen 2007" mit Toast, gibt es eine Dose Fisch - pikant und salzig eingelegt in der Bretagne, köstlich.

Die Auswahl an Hauptspeisen ist klein, aber verlockend. Wo kann man sonst "Spargel polnisch" essen, nämlich mit Nussbutter und Ei? Fein und mürbe war der Maibock, nein, kein Starkbier, liebe Bierfreunde, sondern ein Rückenstück vom echten Ziegenbock mit Rübengemüse und intensiven Bärlauchschupfnudeln. Es wurde auch Leipziger Allerlei und Maischolle Finkenwerder angeboten, alles raffiniert verfeinert und verfremdet. Erklärtes Motto des Lokals aber bleibt: "Wir wollen nicht das Kochen neu erfinden, sondern altbewährte und fast vergessene Klassiker aus Europas Küchen wieder aufleben lassen."

Als Nachspeise gibt es eine Käseauswahl oder Fruchtsorbets, mit Prosecco aufgegossen. Unsere Wahl war aber das Kirschtascherl mit Creme double, nichts für die Fastenzeit.

Etwas zu bemängeln? Nein, alles war bestens. Dennoch am Ende ein Geständnis des Scheiterns. Weder Peffekoven noch seine Begleiter brachten es über sich, das Pferdefilet in Bärlauchgemüse zu ordern. Es gibt dafür keine rationale Begründung; wenn man Entenleber verspeist, warum nicht auch Pferd? Vielleicht wegen der letzten Reitstunde der Kinder, die dabeisaßen. Oder weil . . . Ach, egal.

Die Preise: Nicht die niedrigsten. Aber der hohen Qualität doch angemessen. Vorspeisen 10 bis 13,50 Euro, Hauptspeisen 18 bis 24, Tascherl je nach Größe und Inhalt 5,50 bis 19,50. Günstig sind die Mittagsgerichte, etwa Spargelröllchen oder Semmelknödel, Rahmschwammerl und Salat für 7,90 oder zum Mitnehmen für 6,50 Euro.

Dieser Artikel ist leider nicht mehr aktuell, das Restaurant hat inzwischen seinen Betrieb eingestellt.

© SZ vom 06.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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