Rechtsanspruch auf Betreuung:Stadt muss für Luxus-Kita nicht zahlen

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Tagesmütter bekamen sie angeboten, die Eltern aber buchten für ihren Sohn einen Platz in einer teuren Krippe. Das Geld wollten sie erstattet bekommen - zu Unrecht, hat das Bundesverwaltungsgericht nun festgestellt

Von Heiner Effern, Melanie Staudinger und Kassian Stroh, München

München - Was tun, wenn die Stadt einen Betreuungsplatz anbietet, der als ungeeignet erscheint? Einfach selbst eine teure private Krippe wählen und sich die höheren Kosten dann von der Stadt bezahlen lassen? Das geht so leicht nicht, wie nun das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat. Damit bestätigte das Gericht die Art und Weise, wie die Stadt München den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige auslegt. Demnach gilt ein Angebot als zumutbar, wenn der Weg von zu Hause dorthin einfach bis zu 30 Minuten beträgt oder wenn die Familie nur Tagesmütter zugeteilt bekommt, weil keine freien Krippen zur Verfügung stehen. Stadtschulrätin Beatrix Zurek freut sich, dass das Gericht als oberste Instanz "die Rechtsauffassung der Landeshauptstadt München umfassend gestützt" hat. Das Münchner System "zur Unterstützung der Eltern bei der Platzsuche" könne somit fortgeführt werden. Die Berater im Bildungsreferat würden sich jetzt und weiterhin um jede einzelne Familie kümmern. Das Urteil schaffe "ein großes Stück mehr Klarheit", sagte Zurek.

Im konkreten Fall ging es um eine Familie, die von Köln nach München gezogen war und für ihren Sohn zum 1. April 2014 einen Krippenplatz suchte. Bereits im September 2013 hatten die Eltern deswegen bei der Stadt angefragt und Ende Januar 2014 Angebote für sechs verschiedene Tagesmütter erhalten. Diesen lehnten sie jedoch allesamt ab, weil sie einen Platz in einer Krippe bevorzugten. Schließlich schloss die Familie einen Vertrag mit einer privaten Kindertagesstätte für 1380 Euro im Monat ab, inklusive Kinderyoga und einer zweisprachigen Erziehung. In städtischen Einrichtungen liegt der Höchstsatz bei 421 Euro. Drei Monate lang blieb das Kind in der teuren Einrichtung, dann bot die Stadt einen Platz in einer Übergangsgruppe an, den die Familie erneut ablehnte.

Für diese drei Monate wollten die Eltern den Differenzbetrag zu einer städtischen Krippe, also 1000 Euro, zurückhaben. Das Münchner Verwaltungsgericht wies die Klage der Eltern im Januar 2015 ab, die Familie gewann aber die Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Daraufhin legte die Stadt Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Mit Erfolg. Die Eltern könnten sich nicht darauf berufen, zwischen einem Platz in einer Krippe oder einem bei einer Tagesmutter frei wählen zu dürfen, heißt es im letztinstanzlichen Urteil. Weiter erklären die Richter, dass die Eltern kein Wahlrecht zwischen einer kommunalen und einer privaten Einrichtung hätten. Die Stadt sei gesetzlich nicht dazu verpflichtet, dem Kind einen kostenlosen oder kostengünstigen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Sie müsse zwar für Kinder über einem Jahr einen Betreuungsplatz nachweisen; hätte sie das in diesem Fall mit der privaten Krippe getan, hätten die Eltern den viel höheren Beitrag dort auch zahlen müssen, urteilten die Bundesverwaltungsrichter mit. Ob 1380 Euro im Monat ein zumutbarer Preis seien, das sei nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens gewesen.

Die Stadt München gilt als vorbildlich, was den seit 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige anbelangt. Für zwei Drittel aller ein- bis dreijährigen Kinder stehen stadtweit Plätze zur Verfügung, diese sind aber unterschiedlich verteilt. So gibt es in der Maxvorstadt, in Ramersdorf, Perlach, Allach oder Untermenzing ein überdurchschnittliches Angebot, während sich Eltern in Schwabing-West, Berg am Laim oder Laim viel schwerer tun, eine wohnortnahe Krippe zu finden. Die Bilanz der Stadt vor Gericht ist deshalb beachtlich: Bis heute haben 106 Familien in insgesamt 144 Verfahren wegen eines Kita-Platzes geklagt (für jedes Kind gibt es ein eigenes Verfahren). Mit der jetzigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat München in 110 Fällen gewonnen oder die Kläger haben zurückgezogen. 33 Verfahren laufen noch. In einem einzigen Verfahren hat die Stadt verloren, dieses Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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