Prozess:Verteidiger verlangt Hans-Georg Maaßen als Zeugen

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Der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes soll in München aussagen im Prozess um einen mutmaßlichen Salafisten

Von Stephan Handel

Es war alles angerichtet für ein schnelles Ende des Prozesses gegen den mutmaßlichen Salafisten Nidal A. am dritten Verhandlungstag vor dem Landgericht München I. Aber wenig mehr als eine halbe Stunde nach Sitzungsbeginn sprach Norbert Riedmann, der Vorsitzende Richter, mit hörbarem Frust in der Stimme: "Es droht mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aussetzung des Prozesses." Neue Termine müssten gefunden werden, und es sieht so aus, als wäre das schwer innerhalb der drei Wochen möglich, die das Gesetz als längstmögliche Unterbrechung festsetzt - das würde bedeuten, dass das gesamte Verfahren von vorne beginnen muss.

Nidal A., 28 Jahre alt, ist angeklagt, sich im Internet eine Anleitung zum Bau einer Bombe besorgt und außerdem Materialien für diesen Sprengsatz gehortet zu haben. Er soll, so die Anklage, in einer islamistischen Chat-Gruppe angekündigt haben, er wolle "Spione" und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes töten. Außerdem fragte Nidal A. angeblich in dieser Gruppe nach Unterstützung für den Bombenbau. Er wurde Ende September 2017 zunächst in Untersuchungshaft genommen, dann aber durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts vom Mai 2018 wieder entlassen. Das OLG befand, er sei "der ihm vorgeworfenen Straftaten nicht dringend verdächtig". Nidal A. selbst bestreitet alle Vorwürfe, die ihm der Staatsanwalt macht.

Dass es am Mittwoch nicht wie geplant ein Urteil gab, lag am Verteidiger Adam Ahmed: Der Rechtsanwalt verlas zu Beginn der Sitzung mehrere neue Beweisanträge. Unter anderem benannte er 17 neue Zeugen, zumeist Freunde und Bekannte des Angeklagten, die aussagen könnten, dass Nidal A. kein Salafist sei, sondern "den friedlichen und gewaltfreien Islam lebte und unterstützte".

Brisanter jedoch ist ein weiterer von Ahmeds Beweisanträgen: In ihm verlangt der Verteidiger, Hans-Georg Maaßen als Zeugen zu hören, den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, um den wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu den rechten Ausschreitungen von Chemnitz ein politisches Gezerre entstanden war, an dessen Ende Maaßen in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde.

Die Zeugenvernehmung Maaßens ist aus Sicht des Verteidigers notwendig, weil eines der wichtigsten Beweismittel gegen Nidal A. nicht mehr vorhanden ist: die Protokolle der Chat-Sitzungen, in denen er die belastenden Äußerungen getan haben soll. Die Polizei, sagt Ahmed, teile nur mit, dass die Indizien seinerzeit vom Verfassungsschutz gekommen seien. Der Verfassungsschutz nenne ihm aber keinen Mitarbeiter, der die Chatverläufe seinerzeit gesichtet hat - so bleibe ihm nur, den offiziellen Vertreter der Behörde zu laden, und das war zum damaligen Zeitpunkt Maaßen.

Ob Maaßen tatsächlich in München erscheinen muss, ist noch nicht entschieden. Zunächst muss Richter Riedmann versuchen, innerhalb der gesetzlichen Frist mögliche Termine zu finden, an denen alle Verfahrensbeteiligten - vor allem auch die Schöffen - Zeit haben. Sonst müsste tatsächlich der ganze Prozess noch einmal von vorne beginnen.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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