Prozess um Wiesn-Schlägerei:Blut wie in einem Splatter-Film

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Bei einer Schlägerei auf dem Oktoberfest hat der Schausteller Mario S. einem 26-Jährigen die Halsschlagader durchtrennt. Als Waffe diente ihm ein Weißbierglas. Jetzt wurde er verurteilt. Für das Opfer ist das nur ein mäßiger Trost.

Von Andreas Salch

Nachdem Amtsrichterin Karin Jung das Urteil verkündet hatte, blieb Mario S. noch einen Augenblick gedankenverloren stehen, ehe er wieder auf der Anklagebank Platz nahm. Der 34 Jahre alte Schausteller muss wegen gefährlicher Körperverletzung für drei Jahre ins Gefängnis.

Am 3. Oktober vergangenen Jahres hatte er nachts auf der Wiesn einem 26-Jährigen aus dem Landkreis Erding bei einem Streit in der Nähe der Bräurosl sein Weißbierglas mit Wucht in den Hals gestoßen hat. Thomas K. sackte laut einem Augenzeugen wie vom Blitz getroffen zusammen. Seine Halsschlagader war durch das gesplitterte Glas durchtrennt worden, ebenso die Halsvenen. Aus seinem Hals spritzte das Blut "wie aus einem Springbrunnen", gab der Polizeihauptmeister Christian B. bei seiner Vernehmung vor dem Schöffengericht an. Er hatte Mario S. nach der Tat festgenommen.

Thomas K. verlor rund zweieinhalb Liter Blut. Dass er noch am Leben ist, hat er einem Kollegen von Christian B., dem Polizeiobermeister Torsten Hiljanen zu verdanken. Der 32-Jährige behielt die Nerven. Er drückte die durchtrennte Arterie mit beiden Händen ab. Sechs Minuten lang. Dann kam ein Notarzt und versorgte die klaffende Wunde. Sie reichte vom Kinn bis zum Hals.

Randolph Penning, Professor am Institut für Rechtsmedizin, den das Gericht als Sachverständigen geladen hatte, lobte Hiljanen in der Verhandlung ausdrücklich für seine Erste-Hilfe-Leistung. Penning hatte bei der Beweisaufnahme Richterin Jung und den Schöffen die Fotos gezeigt, die im Krankenhaus von der Wunde am Hals von Thomas K. gemacht worden waren. Was da auf der Wiesn passiert sei, erinnere an "Splatter-Filme", Horrorstreifen, bei denen die Darstellung exzessiver Gewalt und Blut im Vordergrund steht, sagte die Vorsitzende bei der Urteilsbegründung.

"Schleich dich, du Scheiß-Preiß"

Warum Mario S. und Thomas K. überhaupt aneinandergeraten sind, ist unklar. Keiner der beiden konnte dazu Angaben machen, da sie zu betrunken waren. Mario S. hatte laut rechtsmedizinischen Gutachten eine Blutalkoholkonzentratin von knapp zwei Promille, Thomas K. von rund 1,56 Promille. Vermutlich hatte Mario S. Thomas K. oder eine der Personen, mit denen dieser in der Nähe der Bräurosl stand, angerempelt. Ein Zeuge will die Bemerkung "Schleich dich, du Scheiß-Preiß" gehört haben.

Thomas K. war daraufhin Mario S. gefolgt und fasste ihn an der Schulter. Der 34-Jährige drehte sich um und stieß ohne Vorwarnung mit seinem Weißbierglas zu. Thomas K. ist bis heute von der Weißbierglas-Attacke gezeichnet. Dicke Narben an Kinn und Hals zeugen von der schweren Verletzung. Zudem hat er motorische Probleme. Seit der Tat ist der 26-Jährige zu 30 Prozent behindert.

Das Gericht hielt Mario S. zugute, dass er ein Geständnis abgelegt hatte und aufgrund der Alkoholisierung in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt war. Zwar habe er keinen Streit gesucht, so Richterin Jung. Jedoch habe er auf falsche Art und Weise reagiert. Nach der Attacke hieß es zunächst, Thomas K. sei gestorben. Als ein Polizist Mario S. auf der Wiesn-Wache mitteilte, dass es sich hierbei um eine Falschmeldung handle, war der 34-Jährige so erleichtert, dass er begann zu weinen und kurz darauf zusammenbrach.

© SZ vom 15.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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