Prozess um Mordversuch:Beschwerde mit Folgen

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Ein Mann klingelt bei seinen Nachbarn, weil sie die halbe Nacht durchfeiern. Später lauern ihm zwei der Zecher vor dem Haus in Giesing auf - sie wollen sich rächen. Nun stehen sie wegen Mordversuchs vor Gericht.

Von Andreas Salch

Als Ali Y. nicht mehr schlafen konnte, griff er zu einem etwa 50 Zentimeter langen Metallrohr. Damit ging er in den frühen Morgenstunden des 8. Oktober vergangenen Jahres zu dem Mann, der über ihm wohnte. Der Nachbar hatte Besuch. Zu Gast waren Rainer W., 53, und Wilhelm R., 54. Ali Y. hatte das Rohr vorsichtshalber mitgenommen, um sich gegen seinen Nachbarn und dessen Zechkumpane zur Wehr setzen zu können. Denn in der Vergangenheit war Ali Y. schon angegriffen worden, wenn er sich wegen des Lärms, den die Männer machten, beschwert hatte. Doch an jenem Oktobermorgen gegen 3.40 Uhr eskalierte die Situation in dem Haus in der Fischbachauer Straße in Obergiesing. Ali Y. wäre bei dem Nachbarschaftsstreit fast getötet worden.

Rainer W. und Wilhelm R. wurden festgenommen und müssen sich seit Dienstag vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes erhoben. So unterschiedlich Rainer W. und Wilhelm R. auch sind, eines verbindet sie: ihre Alkoholsucht.

Rainer W., der den Spitznamen "Wodka-Rainer" trägt, trank in der Vergangenheit angeblich bis zu drei Flaschen Wodka täglich. Anschließend sei er immer noch in der Lage gewesen, drei bis vier Liegestützen auf einem Arm zu machen, behauptete der gelernte Koch. Zu den Vorwürfen aus der Anklage sagte er auf Anraten seiner Verteidiger nichts. Außer, dass er um die zehn Flaschen Bier mit Ali Y.s Nachbarn getrunken habe. Das wisse er noch ziemlich genau, erklärte der 53-Jährige. Da er in den Monaten vor der Tat gar keinen Alkohol getrunken habe, habe das Bier entsprechend gewirkt. Er sei "immer müder geworden", so W.

Fit und orientiert statt müde

Doch diese Schilderung passt so gar nicht zu dem, was die Staatsanwaltschaft ihm in ihrer Anklage zur Last legt. Danach muss der 53-Jährige nämlich zur Tatzeit relativ fit und orientiert gewesen sein. Gegen 3.20 Uhr am Morgen des 8. Oktober hatte sich Ali Y. erstmals wegen des Lärms bei seinem Nachbarn beschwert.

Als der die Türe öffnete, sollen Rainer W. und Wilhelm R. sofort herbei gelaufen sein. Wilhelm R. habe daraufhin Ali Y. geschubst und ihm gedroht: "Ich mach dich fertig, du bist dran." Ein Mitbewohner, der den Streit mitbekam, ging jedoch dazwischen und beruhigte die Streithähne. Ali Y. ging daraufhin zurück in seine Wohnung und machte sich für seine Arbeit in einer Brauerei fertig.

Doch Rainer W. und Wilhelm R. sollen noch immer wütend gewesen sein auf Ali Y. Laut Anklage beschlossen sie, den 47-Jährigen dafür "abzustrafen", dass er sich beschwert hatte. Das wollten sie sich angeblich nicht bieten lassen, schon gar nicht von einem Türken, den sie "als minderwertig betrachteten", wie es in der Anklageschrift heißt. Kurz nach der ersten Auseinandersetzung waren W. und R. eine Etage tiefer gegangen, wo sie schrien und laut gegen die Türe von Ali Y. klopften. Die Angeklagten wollten Y. aus seiner Wohnung locken, so die Staatsanwaltschaft. Doch der öffnete nicht.

Mit dem Metallrohr zur Arbeit

Als Ali Y. sich kurze Zeit später auf den Weg zur Brauerei machte, nahm er auch das Metallrohr wieder mit. Er verließ das Haus. Dort sollen Rainer W. und Wilhelm R. bereits auf ihn gewartet haben. R. ging den Ermittlungen zufolge sofort auf Ali Y. los, während Rainer W. ihm bei dem Gerangel sein Messer in den Rücken stieß. Ali Y. sei kurz zusammengesackt, habe sich jedoch wieder aufgerappelt und sei davon gelaufen. Die Angeklagten verfolgten ihn, doch Ali Y. gelang es, sie abzuschütteln, indem er mit seinem Metallrohr um sich schlug.

Wilhelm R. sagte vor Gericht: "Ich lasse die Menschen in Frieden." Er habe sich nichts vorzuwerfen. Er wisse das ganz genau. Zur Tatzeit habe er keinen Alkohol getrunken gehabt. Als er das letzte Mal verurteilt worden sei, habe man ihm das zur Auflage gemacht. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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