Prozess um Doppelmord in Portugal:Verteidigung setzt Zeugen unter Druck

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Weil der Schöffe nicht genug Deutsch sprach, war der Prozess geplatzt - nun hat die Verhandlung gegen Gunnar D. neu begonnen: Er soll seine Exgeliebte und die gemeinsame Tochter in Portugal umgebracht haben. Ein Rentner will die Tat beobachtet haben. Doch mit seiner Aussage vor Gericht könnte sich der Zeuge selbst belasten. Hätte er den Doppelmord verhindern müssen?

Christian Rost

Nach der Panne mit einem Schöffen, der nicht gut genug Deutsch spricht, hat am Donnerstag der Prozess um den mutmaßlichen Doppelmord in Portugal neu begonnen. Mit zwei neuen Schöffen auf der Richterbank begann das Verfahren am Münchner Schwurgericht von vorne.

Gunnar D. soll in Portugal zwei Menschen getötet haben, um sein Doppelleben vor seiner Freundin zu verheimlichen. Nun hat der Prozess gegen ihn in München neu begonnen. (Foto: dapd)

Der Angeklagte Gunnar D. äußerte sich - abgesehen von der gemurmelten Bemerkung "Das stimmt nicht" - auch diesmal nicht zum Tatvorwurf, wonach er seine Geliebte und die gemeinsame Tochter an der Algarve umgebracht haben soll. Einer seiner Anwälte ließ aber die Strategie der Verteidigung erkennen: Der portugiesische Hauptbelastungszeuge in diesem Verfahren soll offensichtlich unter Druck gesetzt werden.

Der Portugiese ist der einzige Augenzeuge. In seiner Aussage bei der Polizei hatte er D. schwer belastet. Demnach will der Rentner den Urlauber vom Strand aus gesehen haben, als dieser im hüfttiefen Wasser seine Geliebte unter Wasser drückte, bis die Frau tot war. Verteidiger Sascha Petzold will nun wissen, ob sich der Zeuge der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht hat. "Er habe sich gedacht, dass die Frau ertränkt wird. Gleichwohl hat er nicht versucht, auf irgendeine Art die Tat zu verhindern oder Hilfe zu holen", so Petzold.

Er forderte das Gericht auf, vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg feststellen zu lassen, ob das Verhalten des Zeugen auch nach portugiesischem Recht strafbar ist. Sollte dies der Fall sein, könnte der Zeuge vor Gericht schweigen, um sich nicht selbst zu belasten. Damit wäre der wichtigste Zeuge der Anklage wertlos. Für die Aussage des Mannes am kommenden Dienstag hat das Schwurgericht nun vorsorglich einen Zeugenbeistand bestellt, der darauf achten soll, dass sich der Portugiese nicht in eine eigene Straftat hineinredet.

Der Verteidiger beantragte außerdem, sämtliche Zeugenaussagen in diesem Mordprozess auf Video aufzeichnen zu lassen. Bei Schwurgerichtsverfahren werden Aussagen üblicherweise nicht mitgeschnitten, es gibt auch kein Wortprotokoll. Anwalt Petzold meint jedoch, in diesem Fall komme es auf jedes Wort an. Es könnte zu "einer durch einen Irrtum begründeten Verurteilung" des Angeklagten kommen, befürchtet der Jurist. Ein Video könnte so einen Irrtum verhindern. Die Kammer will bis Montag über die Anträge entscheiden.

Keine Affäre, sondern "echte Freundschaft"

Der Angeklagte selbst äußerte sich lediglich zu seinem Werdegang. Die Eckdaten seines Lebenslaufs vom unauffälligen Schulkind in Niedersachsen bis zum Absolventen einer Technikerschule mit anschließenden Jobs in der Flugzeug- und Automobilindustrie in München trug der 44-Jährige in der ihm eigenen, etwas sperrigen Art vor. D. spricht oft in der dritten Person von sich und bedient sich einer Fachsprache, in der Worte wie "Projektleiter-Projekte" vorkommen.

Zum eigentlichen Prozessauftakt vor einer Woche, der wegen der Schöffenpanne wiederholt werden musste, hatte D. noch über seine Geliebte gesprochen. Seine Schilderung, wonach die Beziehung zu Georgina Z., 30, nicht nur eine Affäre, sondern eine "echte Freundschaft" gewesen sei, wiederholte er nicht. Er erwähnte auch die 21 Monate alte gemeinsame Tochter Alexandra nicht.

Staatsanwältin Elisabeth Ehrl davon aus, dass der Angeklagte mit den beiden im Juli 2010 nur deshalb nach Portugal gefahren war, um sich ihrer zu "entledigen". Er habe keinen Unterhalt bezahlen und mit den Morden verhindern wollen, dass seine eigentliche Lebensgefährtin von dem Kind erfährt.

© SZ vom 16.03.2012/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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