Prozess:Stalkerin muss nicht in Psychiatrie

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Sie wurde verfolgt - von einer jungen Frau. Mehr als zwei Jahre lang. Die Sozialpädagogin Anna K. ( Name geändert) litt so sehr unter den Nachstellungen, dass sie sich in psychotherapeutische Behandlung begab und einen Selbstverteidigungskurs begann. Ihre Peinigerin, die sich allerdings als Mann fühlt und mit einer Geschlechtsänderung begonnen hat, lernte die 34-Jährige in einer Jugendhilfeeinrichtung kennen. Anna K. war die Betreuerin von Zaineb F. Im September vorigen Jahres wurde die 20-Jährige festgenommen. Sie ist intellektuell minderbegabt. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I sollte Zaineb F. auf unbefristete Zeit in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden. Doch am Donnerstag wies die Große Jugendkammer die Verhängung dieser gravierenden Maßregel zurück. Zaineb F. lächelte und umarmte unter Tränen ihren Verteidiger, Rechtsanwalt Maximilian Grashey. Sie ist nun wieder frei.

Es gebe selten Urteile, "bei denen man das Gefühl hat, mehr zu schaden als zu helfen", stellte der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger bei der Urteilsbegründung fest und fügte hinzu: "Das ist so ein Fall." Eine Sachverständige hatte erklärt, dass bei Zaineb F. "von einer aktiven wahnhaften Störung nicht mehr auszugehen" sei. Vor Gericht hatte die 20-Jährige beteuert, ihre Liebe zu Anna K. sei durch ihre Festnahme "erloschen". Aufgrund der intellektuellen Minderbegabung sei von der Beschuldigten keine vernünftige Erklärung zu erwarten, sagte Richter Kirchinger. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Kammer sei die Gefahrenprognose gewesen. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass Zaineb F. erneut Anna K. oder eine andere Person mit "ihrer Liebe überzieht", so Kirchinger. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschehe, reiche nicht aus, um die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie anzuordnen. In dieser Frage könne man sich nicht "auf irgendwelche Vermutungen stützen".

© SZ vom 05.07.2019 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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