Prozess:Karambolage mit Blaulicht

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Auch im Einsatz dürfen Polizisten nicht ohne Rücksicht über Kreuzungen rasen

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Auch mit Blaulicht und Martinshorn dürfen Polizeiautos nicht einfach über unübersichtliche Kreuzungen rasen. Das Landgericht München I hat den Freistaat als Dienstherrn eines Kriminalbeamten dazu verurteilt, für einen Verkehrsunfall zu haften. Der Polizist hatte zwar angegeben, sich mit Sondersignalen in die Kreuzung "hineingetastet" zu haben - seltsam nur, dass bei einem Zusammenstoß das gegnerische Auto, ein Taxi, auf das gesonderte Trambahngleis geschleudert wurde.

Der Ermittler des Landeskriminalamts befand sich mit einem zivilen Fahrzeug bei einem Observationseinsatz. Als er in der Ackermannstraße fuhr, bekam er einen Einsatzbefehl nach Unterhaching. Nach eigenen Angaben hatte er daraufhin das Blaulicht aufs Dach gestellt und das Martinshorn auf Dauersignal gestellt. Er fuhr zweifellos bei "Rot" in die Kreuzung mit der Dachauer Straße ein. In diesem Moment kam ein Taxifahrer bei "Grün" ebenfalls in die Kreuzung - es krachte. Das Taxi wurde durch die Wucht des Aufpralls umgedreht und kam erst auf den Straßenbahn-Gleisbett zum Stehen. Vom Schaden bezahlte die Polizei freiwillig aber nur die Hälfte, denn der Taxifahrer habe die Sondersignale des Einsatzwagens nicht beachtet und trage daher eine Mitschuld. Der Taxifahrer klagte daraufhin gegen den Freistaat auf die restlichen 3700 Euro.

Vor Gericht sagte der Beamte später, er sei nur mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren, um sich dann "weiter zu tasten". Der Taxichauffeur erklärte, er habe auf der Kreuzung zwar gerade noch das Blaulicht erkennen können, von einem Signal aber nichts gehört. Auch neutrale Zeugen gaben an, Blaulicht und Signalhorn erst auf der Kreuzung wahrgenommen zu haben - der Taxler habe nach ihrer Meinung keine Chance mehr gehabt, darauf zu reagieren.

Ein vom Gericht bestellter Unfallsachverständiger ermittelte, dass die Kollision bei Tempo 35 bis 40 passiert sein musste. Auch angesichts des Unfallgeschehens und der Zerstörung am Polizeiwagen sei die Angabe des Beamten, sehr langsam gefahren zu sein, nicht nachvollziehbar. Der Richter der 19. Zivilkammer stellte daraufhin fest, dass die Polizei in vollem Umfang für den Unfall haften müsse. Zweifellos habe sich der Beamte auf einer "hoheitlichen Einsatzfahrt" befunden: Mit Blaulicht und Martinshorn dürfe er sich dazu auch auf einer durch Rotlicht gesperrten Kreuzung Vorrang verschaffen. "Das bedeutet jedoch nicht, dass der Fahrer eines Dienstfahrzeuges ,blindlings' oder ,auf gut Glück' in eine Kreuzung bei rotem Ampellicht einfahren darf", machte der Richter klar. Er dürfe auch mit Sonderrechten erst dann in die Kreuzung einfahren, wenn er diese Absicht rechtzeitig zu erkennen gegeben und sich davon überzeugt habe, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt hätten. "Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann das sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren", urteilte der Richter. Notfalls müsse der Einsatzwagen sogar fast zum Stillstand abgebremst werden. Das Urteil (Az.: 19 O 22045/13) ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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