Prozess:Illegales Geschäft

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Trio klaut gezielt Autoteile und verkauft sie dann im Internet

Von Susi Wimmer

Wasserburger Landstraße, Ismaning, Freising, Neubiberg: Es waren immer wieder dieselben Autohändler in und um München, die innerhalb eines Jahres von einer Bande heimgesucht wurden. Nachts schlugen die Männer die Scheiben von Autos der Marke BMW ein und klauten alles heraus, was nicht niet- und nagelfest war: Navis, Schaltknüppel, Airbags, Lenkräder. Die gestohlenen Utensilien verkauften sie über eine Internet-Plattform, teilweise wickelten sie im Netz schon die Verkäufe ab, ehe sie dann nachts die gewünschten Zubehörteile stehlen gingen. Jetzt sitzt das Trio vor dem Landgericht München I auf der Anklagebank wegen schweren Bandendiebstahls. 27 Taten lastet ihnen die Staatsanwaltschaft an, der Sachschaden und der Wert des Diebesgutes summieren sich auf eine Viertelmillion Euro. Dem Kopf der Bande droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Wie der Angeklagte O. so vor Gericht sitzt, wirkt er wie ein Häufchen Elend. Ein hagerer Typ mit schmalem Gesicht und dunklen Augenhöhlen; Schultern und Kopf hängen nach unten, das lange, dunkle Deckhaar hat er mit einem hellblauen Haargummi zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er sitzt seit über einem Jahr in Untersuchungshaft und hat aufgrund einer Erkrankung 26 Kilo abgenommen. Er ist der Klügste der Bande - und auch der Kriminellste. Mindestens einmal saß er bereits im Gefängnis, und zwar während der Schulzeit, außerdem läuft zur Zeit noch ein Verfahren am Amtsgericht gegen ihn wegen Tacho-Manipulationen.

Der Hauptangeklagte kam als Kind nach Deutschland. Bis die Familie vereint war, sei die Mutter verzweifelt und überfordert gewesen, "ich wurde eher von der Caritas betreut", erzählt er. Seine Eltern arbeiten mittlerweile in München. Als er in die Grundschule kam, lernte er sein erstes deutsches Wort. Vier Jahre später schaffte er den Übertritt aufs Gymnasium und absolvierte sein Abitur. Und er studierte: Kfz-Informatik. Ein Studiengang, der ihm bei seinen illegalen Nebenbeschäftigungen hilfreich war.

Er lernte H. kennen, einen gebürtiger Münchner, der bei BMW als Kfz-Mechatroniker über eine Leihfirma beschäftigt ist - unter anderem ein Fachmann in punkto Ein- und Ausbau. Der Dritte im Bunde ist E., heute 21 Jahre alt, ebenfalls aus München, und Verkäufer in einem Telefonladen. Wie es dazu kam, dass sich das Trio im März 2015 zusammenschloss, kam im Prozess noch nicht zur Sprache. Ab diesem Zeitpunkt jedenfalls lief das Geschäft: tagsüber Studium oder Job, nachts Scheiben von BMWs einschlagen, Navis ausbauen, oder Lenkräder, Klimabedienteile, Wählschalthebel, Idrive-Knöpfe, Handbremsen oder Gangschaltungen.

Allerdings fand die Polizei bei einem Aufbruch DNA-Spuren, die im Polizeicomputer zu einem sogenannten Spur-Person-Treffer führten. Das heißt, die DNA von O. war aufgrund früherer Taten bereits bei der Polizei registriert. Man stieß auf den Verkaufsaccount im Netz, den O. und H. gemeinsam betrieben, und zu guter Letzt kam die Polizei über die Auswertung von Handydaten an den Tatorten noch auf E. Wie viel Geld die Bande mit der Masche verdient hat, ist schwer nachzuvollziehen, weil nur 14 registrierte Airbags und Navigationsgeräte später von der Polizei bestimmten Diebstählen zugeordnet werden konnten.

Nach ersten Verständigungen von Gericht, Staatsanwaltschaft und Anwälten erklärte Richter Stephan Kirchinger, dass man sich für die Angeklagten H. und E. eine Freiheitsstrafe von etwa zwei Jahren auf Bewährung vorstellen könne. Für O. aber fordert Staatsanwältin Stern allein für dieses Verfahren eine Freiheitsstrafe von vier bis fünf Jahren. Das Urteil soll im Mai fallen.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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