Prozess gegen Frauenarzt:Untersuchung mit Videokugelschreiber

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Ein Frauenarzt soll 68 Patientinnen mit einem Videokugelschreiber gefilmt haben. Zu Hause hortete er 700 Waffen - darunter ein Gehstock, mit dem man schießen kann. Nun muss sich der Mann in München vor Gericht verantworten.

Von Christian Rost

Im Alter von 67 Jahren sollte einen Mann die Realität eingeholt haben. Der Mediziner Christian K. lebte aber nach wie vor in den Abenteuern von Karl May und eiferte der Filmfigur James Bond nach. Er brachte sich Lasso- und Messerwerfen bei, "und der Einsatz versteckter Technik übte einen großen Reiz im Sinne konspirativer Agententätigkeit" auf den Münchner Frauenarzt aus, wie er seine Verteidiger vor der 20. Strafkammer am Landgericht München I erklären ließ. Aus diesem Grund habe er 68 Patientinnen heimlich bei Untersuchungen in seiner Praxis mit einem Videokugelschreiber gefilmt.

Dass er dabei auch sexuelle Absichten hatte, räumte der Mediziner erst im Nachsatz ein. Neben den Videos waren bei ihm rund 700 teils illegal gehortete Waffen gefunden worden, darunter ein Gehstock, mit dem man schießen kann. 007 lässt grüßen.

Christian K. ist ein Mann mit übertriebenen Leidenschaften, soviel steht bereits am Donnerstag, dem zweiten Prozesstag, fest. Fünf Videokugelschreiber zum Stückpreis von 70 Euro hatte er sich besorgt, um die nackten Frauen filmen zu können.

Manche Patientinnen lud er offenbar auch außerhalb der Sprechzeiten zu sich ein - als Aktmodelle gegen Bezahlung. Er sei Hobbyfotograf, erzählte er angeblich. Das Fotografieren war nicht strafbar, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch heimliche Videoaufnahmen aber schon. Dafür "schämt er sich", erklärten K.s Anwälte.

Pure Sammlerfreude

Was die unglaubliche Waffensammlung angeht, die die Polizei bei drei Durchsuchungen nach und nach im Praxiskeller des Arztes im Münchner Westen und in einem geheimen Bunker im Garten seines Wohnhauses fand: Zu dieser Sammelleidenschaft steht K. nach wie vor.

Er habe die 259 Revolver, Gewehre und Munitionsteile ordnungsgemäß beim Kreisverwaltungsreferat angemeldet. Für den Umgang mit den überwiegend funktionstüchtigen Gerätschaften habe er eine Sachkundeprüfung abgelegt und sogar einen Sprengstoffschein erworben.

Aus purer Sammlerfreude habe er sich die Waffen zusammengekauft: "Das war schön anzuschauen." In einem Waffenmagazin durchforstete er jeden Monat die Kleinanzeigen. "Ich habe keine davon verkauft oder verschenkt", beteuerte K. Nur wenigen Schützenfreunden habe er von seiner Sammlung erzählt.

Die legalen Waffen sind auch nicht das Problem, sondern die illegalen, wozu etliche verbotene Kriegswaffen zählen. Maschinenpistolen und Maschinengewehre gehörten zu seinen "Lieblingen". Teils hatte er sie hinter einer Holzverkleidung im Dachboden seines Hauses versteckt, teils im Bunker unter seinem Gartenhaus, den er in den Achtzigerjahren für den Fall eines "Atomkrieges" gebaut hatte.

Auch im Keller seiner Praxis befand sich ein Waffenraum, gleich neben dem Zimmer, in dem sich der verheiratete Mann mit seiner Freundin traf. Im Liebesnest hing neben dem Bett zu Dekorationszwecken ein Gewehr an der Wand: ein Vorderlader.

Den illegalen Teil seiner Sammlung will K. von seinem Schwiegervater geerbt haben, inoffiziell. Der Schwiegervater war demnach begeisterter Schütze und kaufte laut K. alle Waffen zusammen, die er kriegen konnte. Von seinem Wohnort in Weilheim brachte er sie dann nach und nach zu Christian K., weil die Schwiegermutter kein Kriegsgerät im Haus haben wollte.

Der Schwiegervater habe die Gewehre und Handfeuerwaffen in den vergangenen 20 Jahren in Sporttaschen versteckt mit der S-Bahn nach München geschafft. Der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger wunderte sich über diese Leistung, weil auch ein Maxim-MG auf diesem Wege zu K. gekommen sein soll. Dieses erste selbstladende Maschinengewehr ist auf eine Lafette mit Rädern montiert, weil es so schwer ist. Bis zu sechs Mann sind für die Bedienung der Waffe vonnöten. Der Schwiegervater "hat es mir in Teilen gebracht", sagte K.

Vier Alarmanlagen sicherten die Sammlung, über die Christian K. in den vergangenen Jahren den Überblick verloren haben will. In seinem unterirdischen Bunker sei er schon lange nicht mehr gewesen, versicherte der Angeklagte. Wegen seiner Beinprothese habe er nicht mehr zu den Waffen hinabsteigen können. "Die Heizung im Bunker lief aber noch", hielt ihm Staatsanwältin Nicole Selzam entgegen. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 06.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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