Prozess gegen Busunternehmer:In den Ferien zahlt die Arbeitsagentur

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Ein Unternehmer stellt seine Schulbusfahrer jedes Jahr im Sommer frei und im Herbst wieder ein. Nun ist der Fall vor Gericht - doch der Richter will nicht über ein gesamtgesellschaftliches Problem streiten. Und die Klägerin hat auch schon etwas anderes vor.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Natürlich ist das Fahren von Schulbussen ein Saisongeschäft: Während der Sommerferien herrscht Flaute. Doch statt sich für diesen Zeitraum um andere Aufträge zu bemühen, schickt ein Münchner Schulbus-Unternehmer seine rund 45 Angestellten seit mehr als zehn Jahren im August und September regelmäßig zur Agentur für Arbeit. Dort sollen sie sich ihr Arbeitslosengeld holen. Diese ungewöhnliche Praxis wurde bekannt, weil eine der Fahrerinnen nun vor das Arbeitsgericht München gegangen ist.

Der Staat selbst dürfte dem Unternehmer als schlechtes Vorbild dienen. Denn viele Bundesländer, wie auch Bayern, schicken befristet angestellte Lehrer oft in den Sommerferien zu den Arbeitsagenturen, obwohl sie im neuen Schuljahr doch wieder unterrichten sollen. Der Münchner Busunternehmer ist allerdings noch einen Schritt weiter gegangen. Denn er hat sein Personal sogar fest angestellt. Doch Jahr für Jahr bekamen seine Leute dann die immer gleichen Formschreiben: Auf Grund der Auftragslage während der Sommerferien müsse man sie "ausstellen" - für Schulbusfahrer gebe es leider keine andere Verwendung.

Bieten Arbeitsverträge Sicherheit?

Rechtsanwältin Elke Lill findet in dem Prozess dafür deutliche Worte: "Also zahlt hier nicht das private Unternehmen den Lohn und die Sozialversicherung, sondern bürdet die Existenzsicherung seiner Angestellten über das Arbeitslosengeld der Allgemeinheit auf." Warum überhaupt Schulen Unternehmen beauftragen, die eine derartige Handlungsweise an den Tag legen, fragt sie sich. "Wenn eine solche unhaltbare Praxis vor den Gerichten als zulässig angesehen würde, würden auch unbefristete Arbeitsverträge den Arbeitnehmern keine Sicherheit mehr geben", befürchtet die Anwältin.

Eine "Aussetzung" der Festanstellung durch einseitige Erklärung sei nicht zulässig und damit unwirksam, monierte die Juristin vor Gericht. Arbeitgeber hätten in Zeiten schlechter Beschäftigungslagen andere Möglichkeiten, etwa Kurzarbeit oder die Anordnung von Betriebsferien.

Die Busfahrerin will umschulen

Inzwischen wird allerdings über die Entlassung der Schulbusfahrerin gestritten. Die wollte die umstrittene Praxis nämlich nicht mehr mitmachen und war nach den Ferien nicht mehr zum Dienst angetreten, will jetzt umschulen. Deshalb interessierte sich bei der Verhandlung der Richter mehr für die Höhe der Abfindung und die Formulierung des Zeugnisses, als für die beklagte jahrelange "Ausstellung" zu den Sommerferien. Die Verfolgung von "gesamtgesellschaftlichen Interessen" könne das Gericht leider nicht leisten, gab er zu verstehen. Wann er das Urteil verkünden wird, steht noch nicht fest.

Manfred Weidenfelder, Landesleiter des Fachbereichs Verkehr bei der Gewerkschaft Verdi, zeigt sich "entsetzt". Er sagt: "Ich hätte das Arbeitsgericht München für fortschrittlicher gehalten." In diesem Fall sei die Politik gefordert: Denn für die Beförderung von Schülern, insbesondere von behinderten Kindern um die es im konkreten Fall ging, bezahle die Kommune. Bei den Ausschreibungen dürfe aber nicht immer nur nach dem billigsten Anbieter gesucht werden. Vielmehr müsse auf ein Gesamtpaket geachtet werden, in dem Bezahlung und soziale Verantwortung stimmen, meint der Gewerkschafter. Die jährlichen Sommerferien kämen schließlich nicht überraschend - da müsse sich ein Unternehmer um Ersatzaufträge bemühen. "Was hier geschieht, geht gar nicht."

© SZ vom 02.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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