Prozess:Fragen bleibt erlaubt

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Gericht gestattet Facebook-Post als "Meinungsäußerung"

Von Stephan Handel

Michael Fischbaum, ehemaliger Vize-Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), darf weiterhin Fragen nach einem finanziellen Vorgang in der IKG stellen. Das Landgericht hob am Freitag in einem Urteil eine einstweilige Verfügung auf, mit der die IKG ihm Äußerungen in einem Facebook-Post verbieten wollte.

Die Geschichte beginnt bereits im Jahr 2015 und dreht sich um zwei Mitglieder der IKG, Vater und Sohn, die Anteile an einem Unternehmen hielten. Dieses Unternehmen wurde verkauft, nach Branchenschätzungen für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Wie viel davon bei den beiden IKG-Mitgliedern landete, ist unklar, weil die Beteiligungsverhältnisse nicht veröffentlicht sind. Jedenfalls hätte der Sohn auf den erzielten Erlös Bekenntnissteuer zahlen müssen, das Pendant zur Kirchensteuer der christlichen Konfessionen; sie wäre großteils an die IKG geflossen. Einige Zeit vor dem Verkauf jedoch war er aus der IKG ausgetreten, sodass diese Steuer nicht fällig wurde. Etwa ein Jahr nach dem Austritt wollte er aber wieder in die IKG aufgenommen werden - und schloss mit dem Vorstand einen Vertrag, in dem er sich zur Zahlung von insgesamt 600 000 Euro verpflichtete. Danach wurde er wieder Mitglied.

Diesen Vorgang hatte Fischbaum in seinem Facebook-Post aufgegriffen und Fragen dazu gestellt, insbesondere nach der weiteren Verwendung des bezahlten Geldes. Diesen Post wertete das Gericht nun als "zulässige Meinungsäußerung", für die Fischbaum zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine "ausreichend tragfähige Tatsachengrundlage" gehabt habe.

Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im Juni hatten sich die beiden Parteien noch vergleichsbereit gezeigt. Eine außergerichtliche Einigung kam jedoch nicht zustande - der erste Vorschlag der IKG-Anwälte enthielt eine sehr weitgehende Stillschweigens-Vereinbarung, die Fischbaum als Maulkorb empfand und deshalb nicht akzeptieren wollte. Sein Vorschlag, in der IKG eine Transparenz-Kommission einzurichten, wurde von der Gegenseite abgelehnt - weil, so der IKG-Anwalt, eine solche "in der Satzung der IKG nicht vorgesehen" sei und daher "vom Vorstand ohne eine Satzungsänderung (...) nicht eingesetzt werden" könne. Fischbaum will nun auf der Mitgliederversammlung im Dezember eine solche Satzungsänderung per Antrag zur Abstimmung stellen.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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