Prozess:Fast totgeprügelt: Angeklagter entschuldigt sich bei Taxifahrer

Lesezeit: 2 min

  • Seit Donnerstag muss sich der 25-jährige Ikbal Ö. vor dem Münchner Schwurgericht wegen versuchten Mordes verantworten.
  • Nach der Attacke wird der Taxifahrer seinen Beruf vermutlich nie wieder ausüben können.
  • Zum Prozessauftakt hat der Angeklagte den Großteil der Vorwürfe gestanden.

Von Christian Rost

Nach der Attacke eines Fahrgastes wird der Taxifahrer seinen Beruf vermutlich nie wieder ausüben können. Der 25-jährige Ikbal Ö. hatte den 62-Jährigen so schwer verletzt, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen versuchten Mordes erhoben hat. Dabei ging es bei dem Streit der beiden Männer lediglich um 50 Euro Reinigungskosten für das verschmutzte Taxi, in dem sich ein Freund Ö.s übergeben hatte. Seit Donnerstag muss sich Ö. vor dem Münchner Schwurgericht verantworten. Zum Prozessauftakt hat er den Großteil der Vorwürfe gestanden.

Der Karosseriebauer war am 12. Dezember 2015 mit einem Arbeitskollegen durch diverse Kneipen und Clubs in München gezogen. Im Laufe des Abends, den die beiden unter anderem in einer Table-Dance-Bar verbrachten, trank der Angeklagte eine halbe Flasche Whisky, mehrere Mix-Getränke und auch Bier. Zudem zog er sich etwa zehnmal Kokain in die Nase. "Gut drauf und happy", sei er gewesen, sagte Ö. bei der Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Michael Höhne.

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Dass der Mann angesichts der Menge an Alkohol und Drogen noch stehen konnte, verwundert, allerdings war er durchaus einiges gewöhnt. Auf die Frage nach seinen Hobbys sagte Ö., er sei "sehr beschäftigt" gewesen "mit Autos, weggehen und Drogen konsumieren". Weil er in seinem Job am Fließband einer Autofirma zwischen 2000 und 3000 Euro netto verdiente und für sein Zimmer in der Wohnung seiner Eltern keine Miete zahlen musste, hatte er jedes Wochenende genügend Geld übrig, um sich für 500 Euro Kokain zu besorgen.

Derart aufgeputscht nahmen sich er und ein Freund, der ebenfalls betrunken war, am frühen Morgen gegen drei Uhr am Odeonsplatz ein Taxi, um nach Hause zu fahren. Der Taxifahrer stoppte den Wagen aber schon nach wenigen Hundert Metern am Seitenstreifen der Leopoldstraße, weil sich Ö.s Freund auf dem Beifahrersitz übergeben hatte. Während der Freund ausstieg, um sich neben dem Fahrzeug weiter zu erleichtern, entbrannte ein Streit zwischen dem Taxifahrer und dem Angeklagten. Der Fahrer verlangte 50 Euro Reinigungskosten. Laut Staatsanwältin Melanie Lichte ärgerte sich Ö. über den "unschönen Ausgang des Abends" derart, dass er seinen Frust an dem Fahrer abreagierte.

Die beiden Männer waren ebenfalls aus dem Taxi ausgestiegen, als der Fahrgast dem 62-Jährigen laut Anklage zunächst mehrere Fausthiebe ins Gesicht versetzte und ihm das Knie in den Bauch rammte. Der Taxifahrer ging zu Boden, der Angeklagte hockte sich über ihn und versetzte dem Mann noch mehrere Faustschläge ins Gesicht. Lichte sagte, dass Ö. spätestens zu diesem Zeitpunkt den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen habe. Obwohl der Taxifahrer bewusstlos gewesen sei, habe ihm der Angeklagte noch mehrfach mit dem Fuß in Richtung des Kopfes getreten.

Drei Zeugen, die mit ihren Autos die Leopoldstraße entlangfuhren, wurden auf das Geschehen aufmerksam und stoppten. Daraufhin flüchteten Ö. und sein Begleiter zu Fuß. In einer Seitenstraße nahmen sie ein anderes Taxi für den Heimweg. In der folgenden Woche stellte sich Ö. aufgrund des Fahndungsdrucks selbst der Polizei.

"Es tut mir sehr leid", sagte der Angeklagte vor Gericht. Ihm sei erst nach der Attacke klar geworden, was er getan habe. Die Faustschläge, auch zwei gezielte auf die Schläfe des schon am Boden liegenden Opfers, gestand Ö. ein. Gegen den Kopf will er den Mann aber nicht getreten haben. Er stellte es auch so dar, dass es zwischen ihm und dem Taxifahrer, der ihn fortwährend angeschrien habe, zunächst zu einer gegenseitigen Schubserei gekommen war. Der Mann habe ihm schließlich eine Ohrfeige gegeben. "Da habe ich zweimal blind mit der Faust ausgeholt", und als er seine Augen wieder geöffnet habe, sei der Taxifahrer am Boden gelegen. Noch zweimal habe er auf ihn eingeschlagen. "Ich war wütend und dachte, er steht gleich noch mal auf."

Drei Wochen lag der Taxifahrer mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma im Koma. Er sah monatelang sogenannte Doppelbilder und leidet heute noch an Gleichgewichtsstörungen. Für den Prozess sind noch acht Verhandlungstage angesetzt.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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