Prozess:Falsche Polizisten vor Gericht

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Die beiden Angeklagten versteckten ihre Gesichter vor Prozessbeginn hinter Akten und Ordnern: Die Gruppe, für die sie laut Anklage arbeiteten, soll mit ihrer Masche mehr als 100000 Euro erbeutet haben. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Yüksel Ü. und Tuncay E. sollen Teil einer Gruppe sein, die von der Türkei aus arbeitet und Rentner in Deutschland um ihr Erspartes bringt. Am ersten Prozesstag gestehen sie - und geben Einblick, wie der Trickbetrug läuft

Von Max Ferstl

Sie haben bewusst die ausgesucht, die sich nicht wehren können: alte Frauen. Ihre Opfer waren arglos, vergesslich und meistens schwach. Das hat eine Bande von Betrügern im vergangenen Sommer ausgenutzt. Laut Anklage gaben sie sich als Polizisten aus und brachten die Frauen dazu, ihnen ihr gespartes Geld, manchmal sogar ihr gesamtes Vermögen, anzuvertrauen. Mehr als 100 000 Euro soll die Gruppe auf diese Weise erbeutet haben. Zwei der mutmaßlichen Täter, Yüksel Ü. und Tuncay E., stehen seit Mittwoch vor dem Landgericht. Ü. und E. sollen bei dem Betrug geholfen haben. Ihnen wird gewerbsmäßiger Bandenbetrug und Amtsanmaßung vorgeworfen. Beide gaben vor Gericht die Taten zu, denen die Staatsanwältin wegen der Auswahl der Opfer "besondere Verwerflichkeit" attestierte.

Das Vorgehen war immer dasselbe: Zwei aus der Gruppe riefen abends bei den alten Frauen an. Mutmaßlich hatten sie im Telefonbuch nach Namen gesucht, die früher verbreitet waren, wie Elfriede oder Gertrud. Die Anrufer gaben sich als Polizisten aus, als "Herr Fischer", als "Herr Ernst", als "Frau Obermüller". Sie erzählten den Frauen, man hätte Mitglieder einer rumänischen Einbrecherbande gefasst. Einer der Kriminellen hätte die Adresse der Frau bei sich gehabt. Deshalb sei sie in Gefahr - ebenso wie ihr Geld. Auch bei der Bank, so versicherten die Anrufer, würde ein "faules Ei" arbeiten. Um dieses zu überführen, bräuchten die Polizisten die Hilfe der Frauen. Genauer: deren Geld. Dieses müsste "gewaschen" werden, um damit den Betrüger in der Bank zu überführen. Sie redeten den Frauen ein, ihr Geld sei in Gefahr. Und dass es ein Kollege von ihnen abholen würde. Die Frauen machten mit.

"Ich habe ihnen geglaubt, dass sie sich um mich kümmern", sagte ein Opfer aus Dorfen aus. Sie hatte den vermeintlichen Polizisten 15 000 Euro anvertraut, in dem Glauben, sie würde das Geld bald wieder bekommen. "Ich war wie hypnotisiert." Nett seien die Anrufer gewesen, "sie wussten genau, wie sie mich rumkriegen."

Die Männer, die in München vor Gericht stehen, haben die Frauen am Telefon nicht eingewickelt. Sie waren nur die Laufburschen. Ü. hat das Geld von den Frauen abgeholt, einmal in Aalen, in Dorfen, in Oberschleißheim, zweimal in München. Diese fünf Fälle wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Viermal gelang der Trick, einmal nicht, weil die Bankangestellte misstrauisch wurde und die Polizei rief. Er sei drogen- und spielsüchtig, gab Ü. vor Gericht an. Deshalb habe er sich auf das schmutzige Geschäft eingelassen. Seinen Anteil, meist 1400 Euro, habe er längst verspielt. Er bereue seine Taten, das sei ihm in der Untersuchungshaft klar geworden. Die Frauen, die als Zeugen auftraten, bat er mit brüchiger Stimme um Entschuldigung.

E. hingegen hatte keinen direkten Kontakt zu den Opfern. Er, damals ein Taxifahrer mit Geldproblemen, war Ü.s Fahrer. Anschließend nahm er das erbeutete Geld und leitete es in die Türkei weiter, wo sich vermutlich die Anführer der Gruppe aufhalten. Mindestens in zwei Fällen war E. beteiligt. Auch er beteuerte vor Gericht seine Reue. Er wolle den Frauen seinen Anteil zurückzahlen. Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt. Bereits am Freitag könnte das Urteil fallen.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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