Prozess:"Beim nächsten Mal liegt einer tot da"

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Der Münchner Messerstecher, der vor einem Jahr acht Menschen angegriffen und verletzt hat, kommt in die Psychiatrie

Von Susi Wimmer, München

"Für mich war es wichtig, dass dem Mann geholfen wird", sagt Marcus Janke nach dem Urteil der zweiten Strafkammer am Landgericht München I, und verfolgt, wie Patrick H. von Justizbeamten weggebracht wird. Patrick H. ist der Mann, der am 21. Oktober 2017 in der Au, Haidhausen und Berg am Laim im Zustand paranoider Schizophrenie acht Menschen mit Fäusten und einem Messer angegriffen und verletzt hat. Er soll nun in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht werden. Denn ohne Medikamente, so sagte Richter Norbert Riedmann, seien von H. derart "erhebliche Taten wieder zu erwarten".

Marcus Janke ist einer von den Menschen, die sich an jenem Samstag zur falschen Zeit am falschen Ort befanden. Der Elektronik-Ingenieur schlenderte über das Mahag-Außengelände an der Hochstraße, um sich Autos anzusehen. Patrick H. befand sich zu dieser Zeit in einem akuten Schizophrenieschub und glaubte, die Bankiersfamilie Rothschild verfolge ihn, wolle einen dritten Weltkrieg anzetteln. Und er müsse "ihre Persönlichkeiten zerstören, indem er ihnen ein Messer ins Gesicht steche", so sagte er später der Polizei.

Patrick H. schob gegen 8.40 Uhr sein Radl über das Mahag-Gelände, trat von hinten an Marcus Janke heran, und schlug mit einem Messer in der Hand gegen dessen Hinterkopf. Janke erlitt eine Wunde am Kopf, "einen Zentimeter tiefer, und es hätte eine lebensbedrohliche Stelle erwischt", sagt der 49-Jährige. Das Gericht wertete den Angriff auf Janke als versuchten Mord.

Tatsächlich versuchte Patrick H., entsprechend seiner Wahnvorstellungen, an jenem Tag seine Opfer am Kopf oder im Gesicht zu verletzen. Am Auer Mühlbach, wo Patrick H. auf einer Parkbank übernachtet hatte, griff er urplötzlich mit dem Messer einen Spaziergänger an und stach gegen dessen Kopfseite. Einer Spaziergängerin versetzte er Faustschläge ins Gesicht und einem Radfahrer, der mit seinem eineinhalb Jahre alten Sohn hinten im Kindersitz unterwegs war, stach er in die Wange. Der Mann stürzte, das Fahrrad fiel zu Boden und Patrick H. drohte: "Verpiss dich, sonst stech ich das Kind ab." Der Vater flüchtete mit seinem Sohn, H. zog weiter.

Patrick H. stammt aus Nordrhein-Westfalen, er studierte dort Chemie, schloss mit sehr guten Noten ab, "ein heller Kopf", wie sein Anwalt Christian Gerber sagt. Doch seine Krankheit bekam er nicht in den Griff. Im Juni 2017 wollte er mit einem Reisebus in die Alpen zum Wandern fahren. Auf einem Rastplatz griff er Polizisten an, wurde aber nach Feststellung seiner Personalien wieder entlassen. Dann strandete er in München, lebte auf einem Campingplatz, aß in kirchlichen Einrichtungen. Er habe sich "von ganz unten eine Karriere aufbauen wollen", sagte er. Stattdessen holte ihn die unbehandelte Krankheit ein.

Der Staatsanwalt hatte jeden einzelnen Angriff aufgelistet, juristisch bewertet, ob Totschlag- oder Mordversuch, "aber die rechtliche Wertung ist eigentlich egal", sagte Riedmann in der Urteilsbegründung. Es habe sich immer um Messerangriffe gegen den Kopf gehandelt, "und beim nächsten Mal liegt einer tot da". Da es H. nach wie vor an einer kompletten Krankheitseinsicht fehle, sei eine Unterbringung ohne Bewährung auf unbestimmte Zeit erforderlich.

Fast genau ein Jahr ist seit den Messerangriffen vergangen. Marcus Janke, der als Nebenkläger im Prozess auftrat, lässt das traumatische Erlebnis bis heute nicht los. Vielleicht hilft ihm das Prozessende nun bei der Bewältigung.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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