Prozess:Bayern soll Chauffeure für Fischhändler bezahlen

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  • Weil ein Fischgroßhändler zu schnell gefahren sein soll, wurde ihm der Führerschein abgenommen.
  • Er stellte zwei seiner Mitarbeiter als Chauffeure ab. Nun soll der Freistaat die Lohnkosten dafür tragen.
  • Polizei und Gerichte hatten wohl den falschen als Raser ausgemacht.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Frischer Fisch ist heiß begehrt und leicht verderblich, ein Fischgroßhändler ist deshalb fast immer in Eile. Mit seinem Range Rover bretterte der Chef einer bekannten bayerischen Fisch GmbH 47 Stundenkilometer schneller als erlaubt über die A 8 bei Eching.

160 Euro Bußgeld und drei Punkte in Flensburg waren für ihn noch zu verschmerzen. Aber ein Monat Fahrverbot tat dem rastlosen Unternehmer wirklich weh. Zwei Mitarbeiter aus seiner Firma stellte er für diese Zeit als Chauffeure ab. Nun hat der Geschäftsmann den Freistaat verklagt, die Lohnkosten dafür zu tragen. Denn tatsächlich hatten Polizei und Gerichte wohl den falschen als Raser ausgemacht.

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Die Polizei war sich sicher, anhand des Blitzerfotos den richtigen Mann am Steuer des Geschäftswagens eines Fischgroßhandels identifiziert zu haben. Und auch ein Amtsrichter hatte später keine Zweifel, den wahren Verkehrssünder zu verurteilen. Alle Proteste des Verurteilen verliefen zunächst im Sande. Doch der beteuerte weiterhin seine Unschuld und gab deshalb den Führerschein auch nicht freiwillig ab.

Schließlich zog die Polizei die Fahrerlaubnis ein. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der etwa wegen Mai-Dulten das Geschäft besonders brummte und mehrmals pro Tag Verkaufsstellen beliefert werden mussten. Ein spontan eingereichtes Gnadengesuch wurde abgelehnt. Um mobil zu bleiben, beauftragte der Unternehmer zwei Mitarbeiter seiner Firma, ihn einen Monat lang zu chauffieren.

Der Fischhändler strebte zudem ein Wiederaufnahmeverfahren seines Falles an und hatte tatsächlich Erfolg - wenn auch zu spät für die Dult-Saison. Ein Richter des Amtsgerichts Erding ließ das Blitzerfoto durch Experten prüfen und die stellten fest, dass zwar ein älterer Mann am Steuer gesessen hatte, aber nicht der Juniorchef der Firma.

Möglicherweise könne es der Seniorchef, also der Vater gewesen sei. Die Punkte in der Flensburger Kartei wurden getilgt, das Bußgeld zurückbezahlt und das Fahrverbot rückwirkend aufgehoben. Da inzwischen schon fast zwei Jahre vergangen waren, blieb der nunmehr in Raser-Verdacht geratene Vater unbehelligt.

Rund 5500 Euro Lohnausfall für die Ersatzfahrer fordert der Fisch-Unternehmer nun vom Freistaat. Die Richter der 15. Zivilkammer am Landgericht München I haben gewisse Zweifel: Sollte der Kläger als Geschäftsführer seiner eigenen GmbH tatsächlich mit sich selbst eine Vereinbarung hinsichtlich der als Chauffeure abgestellten Mitarbeiter getroffen und dann eine förmliche Rechnung gestellt haben?

Im Übrigen habe er eigentlich keinen Schaden, wenn es seine eigenen Angestellten waren, die er ohnehin bezahlen musste. Das Gericht fragte sich ebenso wie der Anwalt des beklagten Freistaats, ob die angebliche Kostenforderung tatsächlich damals bei der Firma eingebucht worden sei.

"Vielleicht lassen sie das besser sein", meinte der Vorsitzende Richter zum Klägeranwalt. Das Urteil wird kurz vor Weihnachten verkündet. Das Gericht ließ aber schon jetzt wenig Zweifel aufkommen, dass kaum mit milden Gaben zu rechnen sein dürfte.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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