Prozess:Angeklagter bestreitet Tat

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23-Jähriger soll Rentnerin überfallen und geschlagen haben

Von Nico Schwappacher, Susi Wimmer

"Ich bin schon lange auf der Straße, aber so viel Gewalt hab ich noch nie gesehen." Mit Worten, die unter die Haut gehen, beschreibt ein Polizeibeamter vor dem Landgericht München I, wie er am Abend des 10. März 2016 in die Wohnung einer 86-jährigen Ottobrunnerin kam, die von einem Räuber brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt worden war. Der mutmaßliche Täter sitzt nun auf der Anklagebank, der gerade einmal 23 Jahre alte Andreas S. - und er leugnet die Tat.

Wenn sich das bewahrheitet, was Staatsanwältin Nina Prantl dem gebürtigen Slowaken vorwirft, so war die Masche des jungen Mannes ziemlich ausgebufft. Er arbeitete seit Januar 2014 bei einer Hausmeisterfirma, die auch im Bereich Ottobrunn Gartenarbeiten und Schneeräumdienste anbietet. So soll der Angeklagte die Möglichkeit gehabt haben, Objekte gründlich ausspionieren zu können, teilweise hatte er die Schlüssel für die Anwesen. Mit dem erbeuteten Geld soll er vor allem seiner Wettleidenschaft gefrönt haben.

Auch dem späteren Opfer soll Andreas S. bei der Gartenarbeit geholfen haben. Er habe daher gewusst, dass der Ehemann der 86-Jährigen im Pflegeheim lebte, und sie alleine in dem Einfamilienhaus wohnte. Außerdem sei ihm bekannt gewesen, dass die Frau gehbehinderter sei, und dass sie die Dienste der Hausmeisterfirma immer bar bezahlte, dass also Bargeld im Haus sein musste. Um nicht erkannt zu werden und keine DNA-Spuren zu hinterlassen, soll sich Andreas S. maskiert und Handschuhe übergezogen haben. So klingelte er an jenem Abend gegen 20 Uhr an der Haustüre an der Unterhachinger Straße. Die Rentnerin, die gerade im Wohnzimmer die "Tagesschau" im Fernsehen sah, ging mit Hilfe ihres Stocks zur Haustüre und öffnete arglos. Sie dachte, Verwandte kämen spontan zu Besuch.

Der Täter soll die Frau sofort attackiert und so Boden gestoßen haben. Die 86-Jährige stürzte über einen Treppenstufe, knallte mit dem Kopf gegen eine Vase und dann auf den Boden. Sie versuchte noch, die Beine des Täter zu umklammern, aber der schlug zu - mit der Faust gegen ihren Kopf. Er habe die Frau "um jeden Preis töten" wollen, so sieht es die Staatsanwaltschaft. Die Rentnerin überlebte, sie erlitt eine tiefe Schnittwunde im Gesicht, eine Gehirnblutung und Einblutungen im linken Auge. Mittlerweile lebt sie in einem Pflegeheim und ist laut Richter Norbert Riedmann "nicht vernehmungsfähig".

Genau an der Stelle mit den Schlägen wischt sich der 23-Jährige bei der Verlesung der Anklage Tränen von den Wangen. Auf der Anklagebank sitzt kein grobschlächtiger Klotz, eher ein dandyhaft gekleideter junger und sehr schlanker Mann, mit modischem Haarschnitt und weißem Hemd. Dann lässt er durch seinen Verteidiger erklären, dass er zwei Einbrüche in ein und denselben Getränkemarkt in Ottobrunn aus dem Sommer 2016 zugebe, und auch einen Einbruch in eine griechische Gaststätte. Dass er mit Hilfe des Schlüssels seines Arbeitgebers in einer Kindertagesstätte in Neubiberg nachts Geld gestohlen hat, bestreitet er, ebenso wie den Einbruch in eine Gaststätte am Rathausplatz in Ottobrunn, und den Überfall auf die Rentnerin.

In dem Prozess werden auch DNA-Spuren eine durchaus wichtige Rolle spielen. So wurde in dem Haus der überfallenen Rentnerin genetisches Material von Andreas S. gefunden. Die Polizei war auf den 23-Jährigen aufmerksam geworden, weil er Schmuckstücke, die aus dem Überfall in Ottobrunn stammen, im Internet angeboten hatte.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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