Provenienzforschung:26 Kunstwerke und Bücher restituiert

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Der Verbund Provenienzforschung Bayern stellt den Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 vor.

Von Sabine Reithmaier, München

Die Bilanz von Johannes Gramlich klingt gut. 26 Gemälde, Tapisserien, Kunstobjekte und Bücher haben sechs bayerische Museen im Jahr 2020 an die Nachfahren der früheren Eigentümer restituiert, berichtete der Vorsitzende des Forschungsverbunds Provenienzforschung Bayern (FPB) bei einer Pressekonferenz. Außerdem wurden 74 Objekte aus Museen und Bibliotheken, bei denen ein begründeter Verdacht auf Raubkunst besteht, in der Datenbank Lost Art eingetragen, der zentralen Internetplattform zur Dokumentation von Such- und Fundmeldungen für Kulturgüter.

Der Tätigkeitsbericht des Verbunds für das Jahr 2020 liefert zu den Restitutionen auch Hintergründe. So gab beispielsweise das Bayerische Nationalmuseum sechs Silberobjekte zurück, die es in einem Münchner Pfandhaus erworben hatte. Dort waren die Stücke aufgrund einer Anordnung der Nazis vom 24. Februar 1939 gelandet. Ihr zufolge mussten Juden innerhalb von zwei Wochen alle Gegenstände aus Edelmetall bei dafür eingerichteten Ankaufsstellen abliefern. Zurückgekehrt zu den Nachfahren sind auch drei große Tapisserien des 18. Jahrhunderts mit Küstenlandschaften aus Frankfurter Rothschild-Besitz, die kurzzeitig die Empfangshalle des Berliner Stadtpalais von Hermann Göring zierten und in den Sechzigerjahren als sogenannte "Überweisungen aus Staatsbesitz" ins Nationalmuseum kamen.

Manche Rückgabe scheitert an der Pandemie

Irrwege hat eine Chiemseelandschaft des Malers Josef Wopfner hinter sich, die die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituieren wollen; die Übergabe scheiterte bislang an der Pandemie. Ursprünglich gehörte das Gemälde Abraham Adelsberger, einem Nürnberger Unternehmer, der es 1932/33 zur Sicherheit seinem Schwiegersohn Alfred Isay gab. Als Isay mit seiner Familie 1933/34 in die Niederlande emigrierte, hatte er das Bild dabei. Wann genau er es verkaufte, ist nicht geklärt. Im März 1942 erwarb es jedenfalls Martin Bormann für die NSDAP-Parteikanzlei bei einer Auktion.

Zeitintensive Forschung

Fast hinter jedem Objekt steckt eine oft tragische Geschichte. Sie herauszufiltern, den Weg der mutmaßlich geraubten Kunstwerke zu ermitteln und zu klären, ob ein Verkauf auf Druck der Nazis stattgefunden hat, macht Provenienzforschung zu einer spannenden, aber auch sehr zeitintensiven Angelegenheit. Es dauert oft Jahre, bis es zu einer Restitution kommt. Umso wichtiger ist die gemeinsame Forschung, auf die der 2015 gegründete FPB setzt. 23 Archive, Forschungsinstitute und Museen vereint er unter seinem Dach. Derzeit arbeiten die Einrichtungen an 33 Projekten, erforschen gemeinsam das Schicksal des Münchner Kunsthändlers Hugo Helbing, dessen Kunstgegenstände und schriftliche Unterlagen sich in vielen Einrichtungen finden. "Es ist viel in Bewegung", sagte Gramlich. Abzuschließen sei die Arbeit in absehbarer Zeit aber nicht. Doch die Aufarbeitung des Unrechts der NS-Zeit sei eine "fortdauernde ethische Verpflichtung", sagte Kunstminister Bernd Sibler. "Es geht um Gerechtigkeit und darum, das zusammenzuführen, was zusammengehört."

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