Probleme am Vorzeigeobjekt:Pfusch am Kirchenbau

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Undichtes Glasdach, hässliche Schlieren an der Fassade: Nach nur elf Jahren muss das ökumenische Zentrum in Riem für mehrere Hunderttausend Euro saniert werden. Wer Schuld an den Mängeln hat, ist unklar - ebenso, wer die Kosten trägt

Von Jakob Wetzel

Es ist nicht lange her, da wurde das ökumenische Kirchenzentrum in Riem als eine "fast überirdische Erscheinung" bejubelt, als ein Haus von "mediterranem Flair", modern und leuchtend weiß. Diese Euphorie ist inzwischen verflogen. Der Bau ist erst etwas mehr als elf Jahre alt, aber die einst schneeweiße Fassade verunstalten bereits dunkle Schlieren. Das Zentrum macht weniger durch seine Eleganz als durch Wasserschäden und sich lockernde Deckenleuchten von sich reden. Auf die Gemeinden - der katholischen Kirche Sankt Florian, besonders aber der evangelischen Sophienkirche - kommen Sanierungskosten in voraussichtlich mittlerer sechsstelliger Höhe zu. Denn beim Bau wurde gepfuscht.

Das Kirchenzentrum besteht aus zwei Kirchen, mehreren Wohnungen und Gemeinderäumen sowie einem frei stehenden Glockenturm. Die Fassade ist rund um den gesamten Komplex schadhaft, weil die Attika-Abdeckung, die Verblendung von Flachdach und Außenwänden, mangelhaft ist. Im evangelischen Kirchenraum mussten zuletzt außerdem alle Leuchten neu aufgehängt werden, weil diese nur mit Lüsterklemmen befestigt worden waren - die kleinen Plastikelemente dienen eigentlich ausschließlich dazu, Stromkabel miteinander zu verbinden. Es sei von Glück zu reden, dass nie eine Leuchte auf einen Gottesdienstbesucher gefallen sei, heißt es in der Kirche. Der Raum musste deshalb 2015 für fünf Monate geschlossen werden. Und nun ist im selben Kirchenraum auch noch das Glasdach undicht, es ist derzeit mit einer Plane abgedeckt. Schuld sei der zu geringe Neigungswinkel, heißt es: Das Wasser staue sich, man müsse das gesamte Dach erneuern. Die Kosten summieren sich inzwischen auf fast eine halbe Million Euro, alleine auf evangelischer Seite. Die katholische Partnerkirche kann noch keine Schätzung nennen, sie ist aber nur im Bereich der Fassaden betroffen.

Inzwischen macht es vor allem durch gravierende Baumängel von sich reden. (Foto: Florian Peljak)

Das Kirchenzentrum geht auf einen Entwurf des renommierten Münchner Architekturbüros Florian Nagler zurück. Gebaut worden ist es innerhalb von zweieinhalb Jahren. Gegen Ende wurde die Zeit knapp, aber pünktlich zur Bundesgartenschau in Riem 2005 war das 20,6 Millionen Euro teure Projekt abgeschlossen. Am 4. Mai 2005 weihten es der damalige evangelisch-lutherische Landesbischof Johannes Friedrich und der katholische Erzbischof Friedrich Wetter gemeinsam, das ökumenische Kirchenzentrum galt als Vorzeigeprojekt. "Wir sind fassungslos und stehen vor einer für uns schier unlösbaren Aufgabe", sagt Brigitte Reifferscheid vom Kirchenvorstand der evangelischen Sophienkirche heute. Ihre Gemeinde zähle nur 1500 Mitglieder. Sie wüssten nicht, wie sie diese Reparatur bezahlen sollen, auch wenn die Gemeinde letztlich nur einen Teil der Summe tragen muss. Sowohl der Dekanatsbezirk als auch die Landeskirche werden sich beteiligen. Man wolle großzügig sein, versichert Stadtdekanin Barbara Kittelberger: "Wir tun alles, damit die Kirchengemeinde keinen Schaden nimmt." Aber zumindest einen Teil werde die Gemeinde zahlen müssen.

Und auch für den evangelischen Dekanatsbezirk kommt die unerwartet frühe Sanierung zur Unzeit. Denn er hat selbst kaum Geld, kämpft aber seit Jahren mit hohen Kosten für den Gebäudeunterhalt in den derzeit 67 Kirchengemeinden. Erst im Juli hat die Dekanatssynode in ihrer Not entschieden, dass sich die einzelnen Gemeinden künftig selbst an den Kosten von Sanierungen beteiligen müssen.

Geld vom Architekten oder den beteiligten Baufirmen ist nicht in Sicht. Unabhängig davon, wer für die Schäden verantwortlich ist: Die Gewährleistung für den Bau ist mittlerweile abgelaufen. Eine der beteiligten Firmen hat mittlerweile ohnehin Insolvenz angemeldet. "Die Kirchen werden auf den Kosten sitzenbleiben", vermutet Martin Guggenbiller, der katholische Pfarrer von Sankt Florian.

Das ökumenische Kirchenzentrum galt als Vorzeigeprojekt. (Foto: Florian Peljak)

Wer für den Schaden tatsächlich verantwortlich ist, ist schwer zu beurteilen. Der Architekt Florian Nagler sagt, die Zusammenhänge seien komplex. Beim Flachdach der evangelischen Kirche könne man beispielsweise nicht einfach von einem Planungsfehler sprechen. Das Problem sei vielmehr, dass die Metallprofile des Glasdaches an den Enden nicht wie von ihm geplant offen konstruiert wurden, sondern geschlossen. Deshalb könne das Wasser nicht ablaufen, die flache Neigung verstärke dieses Problem nur. Außerdem sei die Kirche, die ja ein flach geneigtes Dach haben wollte, an der ganzen Situation nicht ganz unschuldig.

Auch was die Abdeckungen angeht, sei nicht unbedingt der Architekt schuld, sagt Pfarrer Martin Guggenbiller. Er spricht von einem Eigentor der Kirchen. Diesen seien Naglers ursprüngliche Pläne zu teuer gewesen. Der Architekt habe schließlich von der einschlägigen Din-Norm abweichen müssen, um den Preis zu drücken - und dabei habe er sich schriftlich bei den Bauherren abgesichert. Doch dann sei der bereits abgespeckte Plan nicht so umgesetzt worden wie geplant.

Für Guggenbiller ist es nicht das erste Mal, dass es bauliche Probleme im Kirchenzentrum gibt: 2011 etwa traf ein Blitz den 37 Meter hohen Glockenturm, der zur katholischen Kirche gehört. Der Blitz zerstörte die Uhr, beschädigte die Elektrik und sprengte Betonelemente ab, die auf den Vorplatz fielen. Glücklicherweise war dieser leer.

Der Blitzabbleiter der Kirche hätte dies eigentlich verhindern sollen. Allerdings habe man sich beim Bau für eine Konstruktion entschieden, bei der die Ableiter mittig angebracht seien, damit man sie von unten nicht sehen müsse, sagt Guggenbiller. Der Brandschutz sei dabei eingehalten worden, dem Architekten sei kein Vorwurf zu machen. Da habe man einfach Pech gehabt, sagt der Pfarrer: Der Blitz schlugnämlich nicht von oben ein, sondern seitlich. Der Turm wurde mittlerweile nachgerüstet.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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